Traditionsgemäß verfasse ich als Geschäftsführer der Mediengruppe Oberfranken gerne ein paar Zeilen, wenn denkwürdige Ereignisse ins Haus stehen. Genau solch ein Ereignis ist das Jubiläum unserer Saale-Zeitung - und doch ist es nur eine Zahl im Kalender. Das Denkwürdige liegt weit außerhalb der kalendarischen Leistung, 175 Jahre zu überdauern und damit fast zwei Jahrhunderte fortzubestehen.
Wäre die Saale-Zeitung eine Person, dann wäre sie mit diesem Alter wohl eher eine fiktive, eine Märchenfigur oder Protagonist in einem Science-Fiction-Film. Wäre die Saale-Zeitung eine Örtlichkeit - wie beispielsweise die Stadt Bad Kissingen - wäre sie mit nur 175 Jahren ein städtebaulicher Youngster, eher eine Neubausiedlung und sicher nicht denkwürdig. Die Nicht-Bad Kissinger unter Ihnen sollten wissen, dass Bad Kissingen, die Heimat unserer Saale-Zeitung, eine Stadt mit einer über 1200-jährigen und durchaus bewegten Geschichte ist. Erstmals wurde Bad Kissingen im Jahre 801 als ,,chizzicha" urkundlich erwähnt... Aber was ist es dann, was dieses Jubiläum so denkwürdig macht? Ein kleiner Ausflug in die Geschichte wird Licht ins Dunkel bringen.
Bewegte Geschichte
Der Vorläufer der heutigen Saale-Zeitung war das Kissinger Intelligenz-Blatt, zumindest kann dies seit 1. Januar 1847 nachgewiesen werden. Möglicherweise war es schon früher erschienen. Entstanden war das Blatt aus mehreren Stadtzeitungen der Städte im Landkreis Bad Kissingen. Seit 1868 hatte die Familie Schachenmayer Zeitung und zugehörige Druckerei im Besitz, der Verlag T.A. Schachenmayer wurde von Generation zu Generation bis ins Jahr 2002 als Familienunternehmen weitergeführt. Das Erscheinen der Saale-Zeitung wurde in der Zeit vom 1. April 1943 bis Juli 1949 durch die Nationalsozialisten stillgelegt. Erst ab 1. August durfte das Blatt wieder erscheinen. Beim Verkauf an die WAZ-Mediengruppe im Jahre 2002 blieb die Inhaberfamilie zunächst Minderheiteneigentümer. Beim Weiterverkauf des Verlags im Jahre 2010 an die Mediengruppe Oberfranken zog sich die Inhaberfamilie ganz zurück und die Saale-Zeitung sowie die Schwesterzeitung „Die Kitzinger" wurden zu 100 Prozent übernommen. Druckerei und Mantelredaktion wurden in diesem Zug geschlossen.
Beachtlich ist diese Entwicklung über den Zeitstrahl anzusehen. Insbesondere auch der verlegerische Mut und Fortschrittsgeist der Gründerfamilie sind erwähnenswert. So engagierte sich der Verlag nach dem Mauerfall ab 1990 auch im angrenzenden Thüringen und gründete das Meininger Tageblatt. Eine Geschichte, wie sie so oder ähnlich auch andere Medien und Verlagshäuser erlebt haben mögen.
Traditionsmarke im Wandel
Das Denkwürdige liegt jedoch auch abseits dieses Zeitstrahls, der in schönen Bildern verewigt anlässlich des 100-jährigen Jubiläums schon einen großformatigen Bildband schmückte und der auch in Teilen die Gänge und Flure unserer Mediengruppe Oberfranken heute noch schmückt.
Das Denkwürdige an 175 Jahren Saale-Zeitung liegt in ihrer Aufgabe, dem inhaltlichen Auftrag und dem damit verbundenen Wirken begründet. Wie das Sprichwort sagt, liest man zwischen den Zeilen die wahre Bedeutung. In unserer Sprache der Zeitungsmacher liegt die Bedeutung wohl zwischen den Büchern - also den einzelnen gefalzten Druckbogen oder bald zwischen den Inhalten auf dem geplanten Onlineportal der Traditionsmarke, das noch vor Ende dieses Jahres live gehen wird.
Damals, nachweislich am 1. Januar 1847 mit Erscheinen des Kissinger Intelligenz-Blattes, beim ,,Wieder-Andruck" der Saale-Zeitung nach der politisch angeordneten Zwangspause 1949 oder heute - gedruckt, als E-Paper oder demnächst online auf dem Portal geht es um einen Kern: die unabhängige, qualitätsjournalistische Arbeit. Um Inhalte, die den Leserinnen und Lesern im Alltag helfen, sie mündig am demokratischen Willensbildungsprozess und gesellschaftlichen Leben teilnehmen lassen und ihnen Orientierung geben in einer immer komplexer werdenden Welt.
Trotz allen Wandels - äußerlich, technisch und im Zuge der Digitalisierung blieb dieser Kern aus umfangreichen Recherchen, Hintergrundwissen, Objektivität und zugleich dem subjektiven Gespür für Emotionen und Meinungen in 175 Jahren unverändert bestehen. Generationen qualifizierter Redakteurinnen und Redakteure haben diesen Kern im Wandel der Zeit und der Welt - über Weltkriege und Krisen hinweg - immer so gelebt und haben ihn für die sich wandelnden Bedürfnisse von Leser*innen und Kund*innen stets neu übersetzt. Das ist am Ende das Denkwürdige an 175 Jahren Saale-Zeitung, was mich ein leeres Blatt füllen und diese Zeilen schreiben ließ. Alles Gute, liebe Saale-Zeitung, bleib, wie du bist, stets wandelbar und dennoch im Kern unverändert.
Ihr
Walter Schweinsberg