Am ersten Wochenende im September wird die Großenseebacher Kirchweih gefeiert. Dieser Termin ist in einen Kanon von zeitlich aufeinander abgestimmten Festivitäten in der Umgebung eingebettet.
Zum Gelingen einer „Kerwa“ wird in erster Linie ein Wirtshaus mit einem Tanzsaal benötigt, der sich meistens im ersten Stock befand. Großenseebach hatte sogar zwei Wirtshäuser. Das Ausrichten der Kirchweih war bei beiden sehr begehrt, brachte es doch zahlende Kundschaft in das Gasthaus. Daher hatten sich die beiden darauf verständigt, dass in den Jahren, die mit einer geraden Jahreszahl endeten, das Gasthaus Schmitt, Hauptstraße 27 („Kuner“), die Ausrichtung übernahm, bei ungeraden das Gasthaus Müller, Am Bach 2 („Wirth'n“).
Damit genügend Essbares bei der Kirchweih auf den Tisch kommen konnte, schlachtete das ausrichtende Wirtshaus in der Kirchweihwoche wenigstens ein Schwein. Standardessen waren natürlich Bratwürste mit Sauerkraut. Als Beilage wurde „Römisches Brot“ gereicht. Da der September der erste Monat im Herbst mit einem „R“ ist, kamen auch Karpfen auf den Tisch, die bekanntlich nur in den Monaten mit einem „R“ gegessen werden dürfen.
Für die Organisation der „Kerwa“ waren die unverheirateten Jungmänner, die Kirchweihburschen, zuständig, die in Großenseebach auch als „Blootzborsch'n“ bezeichnet wurden.
Das wichtigste Kennzeichen für die Kirchweih war der Baum. Mit dem Vorstand der Waldkorporation Großenseebach-Reinersdorf wurde vereinbart, dass ein Kirchweihbaum in den Korporationswaldungen geholt werden durfte. Zum Fällen des Baumes zog am Kirchweihsamstag meist ein Ochsenfuhrwerk in den Wald, begleitet von der Musik und den Ortsburschen auf einem weiteren Leiterwagen. Der Wirt spendierte zum Holen ein 20er Fass Bier, denn die Arbeit machte natürlich durstig. In Großenseebach angekommen, wurde der Baum zunächst mit bunten Papierbändern geschmückt. Außerdem erhielt er zwei Kränze und als Bekrönung eine Nationalfahne. Zum Aufrichten wurden die Heubäume der Bauern paarweise umfunktioniert. Benötigt wurden drei Paare: klein, mittel und lang. Beim Aufstellen halfen auch die verheirateten Männer mit, da diese Aktion sonst nicht zu bewältigen gewesen wäre.
Der Montag begann mit dem „Kiegli zammspiel'n“. Das auf diese Weise erzielte Geld verblieben dagegen bei den Ortsburschen zum Begleichen ihrer Unkosten. Der Höhepunkt des Montags, ja der ganzen Kirchweih überhaupt, war sicherlich das „Maien rausdanz'n“. Die Mädchen hatten für ihren Burschen eine weiße Schürze, den sogenannten „Blootzscherzer“ hergerichtet, der mit Bändern und Blumen geschmückt wurde. Er wurde dann dem Tanzpartner angelegt.
Auf einem Tisch vor dem Baum war unter einer Decke der Wecker versteckt, der für die Paare zu einem nicht vorausberechenbaren Zeitpunkt schellte. Manfred Welker