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Da ist etwas zusammengewachsen

Warum in Bayern eine Gebietsreform nötig war und wie sie sich auf Forchheim und die Fränkische Schweiz auswirkte.

Da ist etwas zusammengewachsen

Der Blick von der Burgruine Wolfsberg bietet einen wundervollen Blick über die Fränkische Schweiz, das landschaftliche Herzstück des hetigen Landkreises Forchheim. FOTO: GEMEINDE OBERTRUBACH

14.10.2022

Wenn man so will, war die Gebietsreform, die vor 50 Jahren in Bayern in die Tat umgesetzt wurde, eine Art Zaubertrick. Quasi über Nacht verzeichnete zum Beispiel der Landkreis Forchheim enorme ,,Geländegewinne", die Bevölkerung wuchs mit einem Schlag von 48 104 auf 90 202 Menschen an. Und seitdem schreitet die Entwicklung fort, inzwischen nennen fast 117 000 Menschen den Landkreis Forchheim ihre Heimat. Diese Zahl ist nur ein Indiz für die Erfolgsgeschichte, die hier geschrieben wird, die vergangenen fünf Jahrzehnte haben eine Menge Entwicklungen mit sich gebracht - auch schmerzhafte. Doch in Summe überwiegt das Positive.

Schritt halten

Doch der Reihe nach. Warum wurde die Gebietsreform überhaupt nötig? Mitte der 1960er-Jahre, das Wirtschaftswunder im Nachkriegs-Deutschland war in vollem Gange, wurde den politisch Verantwortlichen klar, dass es leistungsfähigere Gemeinden und Landkreise brauchte, um mit der Entwicklung Schritt zu halten. Der Wohlstand hielt Einzug und damit auch die Ansprüche an Infrastruktur und an das, was der Staat für seine Bürger leisten können muss. Vier Kernziele wurden formuliert:

1. Stärkung kommunaler Selbstverwaltung
2. Sicherung von Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Verwaltung und Bürgernähe
3. Verbesserung der Lebensverhältnisse
4. Abbau des Leistungsgefälles zwischen Stadt und Land

Im Zuge der Gebietsreform ging man als Richtwert von etwa 80 000 Einwohnern für einen funktionierenden und leistungsfähigen Landkreis aus. Diese Zahl war das Ergebnis umfangreicher Studien mit Wirtschaftlichkeits- und Leistungsberechnungen. So ist zum Beispiel ein Kreiskrankenhaus zur Grundversorgung der Bürger erst ab einer bestimmten Größe wirtschaftlich tragbar, und diese Größe setzt einen entsprechend großen Einzugsbereich voraus. Die Reform nannte Ministerpräsident Alfons Goppel in seiner Regierungserklärung 1967 die wichtigste innenpolitische Aufgabe der darauffolgenden Legislaturperiode. 1970 folgte der Gesetzesentwurf, der ein zweigleisiges Vorgehen beinhaltete: Zunächst ab 1972 die Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte in Bayern. Und daneben die (zunächst freiwillige) Gebietsreform auf kommunaler Ebene, die 1978 mit Zwangseingemeindungen abgeschlossen wurde.

Erfolgreicher Widerstand

Das bedeutete, dass der Freistaat von vormals 143 auf 71 Landkreise schrumpfte, und 23 von 48 kreisfreien Städten ihre Kreisfreiheit verloren - darunter Forchheim. Zudem wurde die Zahl der Gemeinden von 6962 (1970) um über zwei Drittel auf 2051 reduziert, wobei mehr als 900 Gemeinden zudem einer Verwaltungsgemeinschaft (VG) beitreten mussten.

Das war nicht immer eine Erfolgsgeschichte: So entschied sich Igensdorf zum Beispiel schon nach zwei Jahren, die VG Gräfenberg wieder zu verlassen und ist seit 1980 eigenständig. In einigen Fällen führte auch der Widerstand von Bürgern dazu, das eingemeindete Orte ihre Eigenständigkeit zurückerlangten. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Ermershausen in Unterfranken, wo sich die Einwohner vehement der Eingliederung in die Gemeinde Maroldsweisach widersetzen und sich 1978 im Rathaus verbarrikadierten. Das Dorf wurde von mehreren Hundertschaften der Bereitschaftspolizei gestürmt, das Rathaus musste zwangsgeräumt werden. Doch letztendlich zahlte sich der Protest aus, seit 1994 ist Ermershausen wieder eine eigenständige Gemeinde.

80 000 Einwohner sollte ein leistungsfähiger Landkreis mindestens haben

Doch zurück nach Forchheim und in die Fränkische Schweiz, wo die Gebietsreform ebenfalls erhebliche Auswirkungen hatte. Zwar musste Forchheim seinen Status als kreisfreie Stadt aufgeben, gab dem neuen Landkreis als Große Kreisstadt aber ihren Namen, blieb Verwaltungssitz, historisches Zentrum und wirtschaftlicher Motor der Region. Neben ihrer wirtschaftlichen Bedeutung haben sich Ebermannstadt und Gräfenberg zu bedeutenden Schulstädten entwickelt. Hier wurde eine der Zielvorstellungen der Gebietsreform erreicht, nämlich die Chancengleichheit im schulischen Bereich. Der Landkreis und die Volkshochschule haben eine Broschüre zum Thema ,,50 Jahre Landkreis Forchheim" herausgegeben und drucken dort ein Resümee ab, das der Kreis bereits 1987 zog. Darin heißt es: „Der Landkreis und seine Bevölkerung sind [...] echt zusammengewachsen. Offenbar haben die Bürger längst erkannt, dass es sich hier zu leben und zu wohnen lohnt.

Dieses Gefühl lässt sich durchaus bestätigen und anhand von Zahlen belegen. Die positive Entwicklung des Landkreises Forchheim in verschiedensten Bereichen spricht dabei für sich. Hier ein Auszug:

Arbeitsmarkt

Der Landkreis Forchheim ist ein ökonomisch starkes Gebiet, in dem Landwirtschaft, Handwerk, Handel, Dienstleistungen und Industrie den Einwohnern eine exzellente Lebensgrundlage bieten. Inmitten der Metropolregion Nürnberg profitiert der Kreis von Weltmarktführern in Medizin-, Elektro- oder Halbleitertechnik. Regelmäßig weist der Landkreis niedrige Arbeitslosenzahlen auf. So liegt er seit 1990 hinsichtlich der Arbeitslosenquote stabil unter dem oberfränkischen Durchschnitt.

Während die Arbeitslosenquote 1985 noch bei 9,2 Prozent lag, betrug sie im Jahr 2020 nur noch 2,9 Prozent.

Wirtschaft und Tourismus

Die Wirtschaft im Landkreis Forchheim ist von einer vielfältigen Branchenstruktur gekennzeichnet. Insbesondere Unternehmen aus den Bereichen Medizintechnik, Logistik, Maschinenbau, Elektrotechnik, Verpackungsindustrie und Süßwarenhersteller haben sich hier bereits angesiedelt. Dabei reicht das Spektrum vom heimischen Familienbetrieb über klassische Industriefirmen und Global Playern, bis hin zu kleineren innovativen Unternehmen, die als „Hidden Champions" weltweit einmalige Produkte fertigen. Im Bereich Industrie waren im Jahr 2019 mehr als 50 Betriebe mit mindestens 20 Mitarbeitern eingetragen, im Bauhauptgewerbe waren es 102 Betriebe (2020).

Die Fränkische Schweiz mit ihrer charakteristischen Berg- und Hügellandschaft verleiht der Region besonderen Reiz. Am Wiesent-Paradies erfreuen sich Paddler und Kanufahrer. Kletterer kommen bei rund 10 000 Kletterrouten auf ihre Kosten und Wanderfreunde genießen unzählige Wanderwege der Qualitätswanderregion „Fränkische Schweiz". Und das alles inmitten einer Genussregion, dem Bierland Oberfranken, mit seinen Bierkellern und regionalen Spezialitäten. Knapp 40 heimische und seltene Tierarten leben in der abwechslungsreichen, weitläufigen Parklandschaft des Wildpark Hundshaupten inmitten der Fränkischen Schweiz.

In Zahlen bedeutet das: Inzwischen gibt es rund 1200 Hotels und Ferienwohnungen, rund 500 Gaststätten und Restaurants, 69 Brauereien und rund 300 Brennereien, etwa 250 Gäste-, Wander- und Genussführer, 250 Sehenswürdigkeiten, rund 50 Aktiv- und Freizeitanbieter. Der Jahresumsatz beträgt mehr als 320 Millionen Euro.

Betreuung und Gesundheit

Für Kinder und Jugendliche gibt es ein breit gefächertes Angebot an Schulen. Daneben haben sich die Möglichkeiten der Kindertagesbetreuung in den vergangenen 50 Jahren vervielfacht: Während es 1974/75 noch 31 Kindertageseinrichtungen gab, sind es im Jahr 2020 bereits 88. Die Anzahl der Plätze hat sich seit 1974 (1665 Plätze) auf 5350 im Jahr 2020 gut verdreifacht.

Am Krankenhaus in Forchheim mit 225 Betten sind die Kliniken für Allgemeinchirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, Innere Medizin, Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie die Fachabteilungen Neurochirurgie, Plastische und Ästhetische Chirurgie, Urologie, Radiologie, Anästhesie und Intensivmedizin angesiedelt. In Ebermannstadt gibt es ein Fachkrankenhaus mit 85 Betten für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Herz- und Gefäßerkrankungen, einschließlich einer psychosomatischen Abteilung mit 18 Betten und einer Fachklinik für Geriatrische Rehabilitation mit 60 stationären Betten unter einem Dach vereint. Außerdem betreibt die Klinik ein Pflegezentrum mit 60 stationären Plätzen und einem ambulanten Pflegedienst. red

Quellen: vhs Forchheim, Landratsamt Forchheim