AIt werden? Passiert nur anderen. Verdrängen der eigenen Hinfälligkeit ist gesellschaftlich gepflegtes Lebensmotto. Weil aber Dauer-Denken ans Alter und Nonstop-Hadern mit unvermeidlichen Prozessen ebenfalls nirgendwohin führen, ist punktuell sachlicher Realitätscheck ein gangbarer Mittelweg. Anschauen und auseinander dividieren hilft: Was am alt werden unangenehm, aber harmlos ist. Was erstmal harmlos, aber auf längere Sicht tatsächlich gefährlich wird, schnell mal das Leben verkürzt - und per Maßnahmen vermieden oder verbessert werden kann.
Unterschiedlich unvermeidlich
Laut Wissenschaft ist das Menschenleben einem ständigen Form- und Leistungswandel unterworfen. Grob geschätzt dauert die Phase der körperlichen und seelischen Entwicklung ungefähr bis zum 25. Lebensjahr, bis circa 45 gilt der Mensch als voll leistungsfähig und ab da beginnt die Phase der degenerativen Veränderung - mit zunehmendem Funktionsverlust. Dieses Raster ist allerdings individuell variabel: Starre Alters- und Alterungsgrenzen sind laut Biologen und Medizinern nicht begründbar. Weil neben ererbten Anlagen, allgemeinen Lebensumständen und sozialem Umfeld auch Umwelt- und Klimabedingungen und akut auftretende Krankheiten Einfluss auf den persönlichen Alterungsprozess haben.
Degeneration oder Krankheit?
Wissenschaftler sehen das Alter nicht per se als Krankheit - aber eng mit Krankheit verbunden. Zunehmende Instabilität und fortschreitende Abnahme physischer und psychischer Anpassungsfähigkeit von Organen, Organsystemen und Bewegungsapparat macht Menschen anfällig für alterstypische Krankheiten und verstärkt bereits vorhandene.
Mehr auf einmal geht auch immer. Diese sogenannte Multimorbidität ist charakteristisch fürs fortgeschrittene Lebensalter: Schließlich bedingen sich verschiedene Erkrankungen auch gerne gegenseitig. Fragt man nach den häufigsten Alterserkrankungen, listen schon die kompaktesten Zusammenfassungen ungefähr fünfzehn pathologische Entwicklungen auf, die - wenn sie nicht entdeckt, im Auge behalten und behandelt werden - aus dem Ruder laufen können.
Körper beobachten
Dauerhafte Herz-Kreislauferkrankungen rund um Blutgefäße mit Hang zur Eskalation oder eben auch ein geschädigter Bewegungsapparat als Zeitbombe: Gerade Gelenkprobleme gehören zu typischen Senioren-Leiden, die heftig einschränken können. Während rheumatoide Arthritis durch entzündliche Prozesse befeuert und über parallel schwellende Gelenke definiert wird, handelt es sich bei der Arthrose um Auswirkungen des GelenkVerschleißes, der sich auch mal nur bei einem Knie oder einem Handgelenk zeigt.
Auch der Abbau der Knochenmasse gehört zu häufigen Krankheiten im Alter. Beginnende Osteoporose kann sich schon früh bemerkbar machen. Wachsamkeit ist angesagt bei zurückgehendem Zahnfleisch, schwachen und brüchigen Fingernägeln, Muskelund Knochenschmerzen, Körpergrößen und Konditionsverlust. Und: Osteoporose kann schon vor Knochenbrüchen durch einen Knochendichtetest festgestellt werden. Für Diagnosen und Behandlungen rund um den Bewegungsapparat sind Orthopäden und Rheumatologen zuständig.
Innenleben erforschen
Blasenschwäche im Alter: Frauen-Organe sind teilweise durch Schwangerschaften und Geburten gestresst und spüren die - Auswirkungen geschwächter Muskulatur im Alltag mehr oder minder harmlos per Kontrollverlust und unfreiwilliges Wasserlassen. Bei Männern ist es oft umgekehrt und hier sind Beschwerden beim Losund Rauslassen oft Hinweise auf Prostatavergrößerung oder Prostatakrebs. Urologen sind hier die Ansprechpartner.
Anderes Organ, geschlechtsneutrale Ausprägung: Die Bauchspeicheldrüse, deren Erschöpfung oft in einem Altersdiabetes mit erhöhten und schädigenden Blutzuckerwerten mündet. Erste Warnzeichen sind zum Beispiel verstärktes Durstgefühl, größere Trinkmengen, häufiges Wasserlassen, körperliche und geistige Leistungsminderung und Schwächegefühl. Zuckertests fürs erste Klären sind in Apotheken erhältlich oder das Thema beim Hausarzt festzustellen.
Alle Sinne pflegen
Grauer Star, Grüner Star, Makula-Degeneration: Auch das Auge kann schwächeln. Weil die Symptome jeweils unterschiedlich sind, sollte bei jedweden Einschränkungen, Erscheinungen oder visuellen Symptomen der Augenarzt befragt werden. Heute gibt es vielerlei Möglichkeiten, ernsthafte Schädigungen bis zum Erblinden festzustellen, wahlweise einzubremsen oder auch zu reparieren.
Auch das Ohr ist im Alter sensibel und birgt Komplikationen. Nachlassende Hörfähigkeit beeinflusst nicht nur einfach das Hören und damit das persönliche Sozialgefüge, sondern versorgt auch das Hirn mit weniger Reizen, was dessen Degeneration hinsichtlich Demenz oder Depressionen begünstigt. Nicht erst, wenn Gesprächspartner drängeln: Regelmäßige Hörtests sind immer eine gute Idee.
Kopf-Chaos einordnen
Um altersgemäße Vergesslichkeit von pathologischen Krankheitsbildern zu unterscheiden, ist genaues Hinschauen gefragt. Es gibt unterschiedliche Formen von Demenz, die akribisch zu filtern sind, um beste Maßnahmen anzupassen und im jeweiligen Fall möglichst lange physische und psychische Lebensqualität zu erhalten. Symptome der Alzheimer-Variante: Hier stellen Erkrankte immer wieder gleiche Fragen, wiederholen bei Antworten die Fragen, erzählen immer wieder gleiche Geschichten. Vergessen alltägliche Abläufe, verlegen Gegenstände, vernachlässigen sich selbst. Symptome nicht eindeutig? Im Prinzip gilt: Bei merklichen Asymmetrien im Leben, Denken oder in der Kommunikation so früh wie möglich Neurologen, Psychiater oder Beratungsstellen heranziehen.
Seelenqual ermessen
Alters-Depressionen sind häufig und werden oft übersehen oder fehlgedeutet. Weil sie oft von körperlichen Erkrankungen überlagert sind, damit zusammenhängen oder schwer davon zu differenzieren sind. Als Symptome gelten Antriebslosigkeit, Schlafstörungen von zu viel bis zu wenig, allgemeines Desinteresse, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust. Ansprechpartner sind nicht nur körperlich orientierte Neurologen oder Psychiater, sondern auch Psychologen oder psychologische Beratungsstellen.
Achtsamkeit entwickeln
Das Rezept? Entspannte Sensibilität gegenüber der eigenen Gesundheit - je früher, desto besser. Für junge und alte Alternde und auch für Pflegende gilt: Überblick verschaffen und behalten, wachsam werden und wachsam bleiben. Vorsorge-Untersuchungen wahrnehmen, sich selbst kennen, Anfälligkeiten und Schwachpunkte feststellen und akzeptieren. Symptome erkennen und handeln. Und dran denken: Am Faktor Lebensweise lässt sich drehen. Ein Alltag mit ausgewogener Ernährung, viel Bewegung und noch mehr sozialen Kontakten trägt erwiesenermaßen dazu bei, die körperliche, geistige und psychische Gesundheit zu erhalten. Prophylaxe macht zwar nicht unsterblich, kann aber schon mal gutes Leben verlängern.
Annette Gropp
Achtung akut!
Herzinfarkt: Anhaltende Schmerzen in Brust, Arm und/oder Schulter. Atemnot, kalter Schweißausbruch, Übelkeit, Unruhegefühl, Angst. Rettungsdienst rufen.
Schlaganfall: FAST-Test anwenden. F wie Face: Der Betroffene soll lächeln. Ein herabhängender Mundwinkel zeigt Lähmung. A wie Arms: Beide Arme nach vorne heben und Handflächen nach oben drehen. Auch hier ist eine halbseitige Lähmung sichtbar. S wie Speech: Einfachen Satz nachsprechen lassen. Verwaschene Artikulation weist auf Sprachstörung hin. T wie Time bedeutet: Es zählt jede Minute. Rettungsdienst rufen.