Früher: Pfarrer, Erdgrab, Grabstein. Heute: ebenso - oder eben ganz anders. Bestattet wird immer weniger mit Sarg auf dem Friedhof, sondern immer mehr mit Asche im Kolumbarium, im Friedwald oder auf See. Abschied genommen wird wahlweise mit oder ohne Redner. Mit Gedanken, Gedichten oder Gesang. Mit satter Erinnerungsmusik aus der Konserve oder mit gar nichts.
Der Wandel rund ums Sterben, Bestatten und Trauern wird oft als Abkehr von Traditionen moniert. Weil aber jeder anders trauert und jeder anders leidet, birgt die neue Vielfalt sogar neue Optionen für Trost und Halt. Und gibt jedem Hinterbliebenen individuelle Möglichkeiten zum Verarbeiten des Unfassbaren.
Früher Monokultur
Sterben in Deutschland zu vergangenen Zeiten: Für viele Jahrhunderte war der Tod in Deutschland viel näher dran am Leben. Weil in Großfamilien gewohnt wurde, war der Abschied meist eng, rau und intensiv. Viele Aufgaben rund ums Sterben und Bestatten waren meist Sache der Wohngemeinschaft: Besonders auf dem Land wurde der Sterbende von der Familie und hauptsächlich vom Pfarrer in den Tod und ins Grab begleitet. Familienmitglieder wuschen den Toten und zogen ihn an, ein Schreiner lieferte den Sarg und der Tote blieb bis zur Bestattung aufgebahrt im Haus. Der Grobumriss dieser sehr familiären Bestattungskultur hielt sich bis in die 1950er-Jahre. Das Beerdigungsinstitut als ganzheitlicher Anbieter für alle Anforderungen rund um den Tod ist laut Historikern eine Erfindung der Wirtschaftswunderjahre. Und ein Wechselspiel zwischen neuen Bedürfnissen und Möglichkeiten.
Heute Vielfalt
Im 21. Jahrhundert ist das Leben komplexer, mobiler und maximal unübersichtlich. Gestorben wird in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder auf der Straße - oft allein. Weil aber viele Menschen keinen Trost aus alten Riten ziehen können, wird sowohl beim Bestattungsformat als auch beim Trauern und bei der Erinnerungs-Pflege nach anderen Varianten gesucht. Bedingung bleibt das Gesetz: Als Bestattungspflicht versteht man die klare Anordnung, nach dem Tod einer Person dafür zu sorgen, dass eine ordnungsgemäße Bestattung innerhalb gesetzlicher Fristen passiert - sie folgt außerdem der Totenfürsorgepflicht und beinhaltet Friedhofszwang. Als spürbarer Drang zu größerer Freiheit boomt die Feuerbestattung, weil sie mehr Flexibilität bietet. Trotzdem existiert im Gegensatz zu vielen europäischen Nachbarländern das Dilemma zwischen Zwang und Freiheitsdrang.
Mit Seebestattungen in der Nord- und Ostsee kann die Friedhofspflicht zum Beispiel umgangen werden. Asche zuhause, Asche im Fluss oder Asche vom Berg verstreut: ist in Deutschland zwar immer häufiger ersehnt, aber nicht gestattet.
Für besonders individuelle Wünsche kooperieren viele deutsche Bestatter mit ausländischen Anbietern. Dem Wunsch, dem Toten nah zu bleiben und die Urne zuhause aufzubewahren, kann gesetzlich hierzulande nicht entsprochen werden.
Trends von morgen
Apropos Naturbestattungen: Es gibt auch den Trend zu pflegefreien Gemeinschaftsgrabanlagen oder natürlichen Orten. Und dazu viele Abschiedsvarianten, die wahlweise über Beerdigungsinstitute organisiert oder selbst gestaltet werden können. Auch die Digitalisierung hält Einzug: Trauerportale mit der Möglichkeit, virtuelle Kerzen anzuzünden und Gedanken festzuhalten, oder selbst gestaltete Gedenkseiten bieten Unterstützung für Trauernde: Das Thema QR-Grabsteine liefert Trost-Potenzial und eine Neudefinition von Würde. Schließlich bieten die scannbaren Codes auf Grabsteinen ein Duett aus Tradition und Innovation: Der Verweis auf die Lebensgeschichte des Verstorbenen im virtuellen Raum befindet sich an einem konkreten Ort der Trauer.
Wichtig: Geldfrage
Teils notgedrungen, teils bewusst: Menschen geben heute weniger Geld für eine Bestattung aus. Weil Trauer immer mehr aus den Konventionen ausbricht, wird das Unkonventionelle zur Konvention - und auch der soziale Druck um Außenwirkung lässt nach. Wichtigste Frage heute: Passen Bestattung, Trauerfeier und Nachsorge zum Leben des Toten und zu dem der Hinterbliebenen? Weil Leid nicht messbar ist, hilft die Suche nach eigenen Heilmitteln und Maßstäben. Was Trauerarbeit kostet und was wer im Bedarfsfall zahlt, kann übers Internet in Erfahrung gebracht werden. Sterbeversicherungen und Bestattungsinstitute liefern ebenfalls Informationen und helfen, finanzielle Nöte und Trauer auf einen erträglichen Nenner zu bringen. A. Gropp