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Mit dem „Du“ richtig umgehen

Aus Stellenausschreibungen können Bewerberinnen und Bewerber viele Infos herauslesen – und für ihr Anschreiben nutzen. Doch wie sollten sie reagieren, wenn Firmen in der Ausschreibung duzen?

Mit dem „Du“ richtig umgehen

FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA

21.02.2022

Die Arbeitswelt wird zunehmend digitaler und internationaler. Längst duzen nicht mehr nur Start-ups ihre Bewerberinnen und Bewerber. Auch viele etablierte Unternehmen sprechen sie in Stellenausschreibungen mit Du an. Beliebte Formulierungen sind etwa „Wir suchen Dich“, „Deine Aufgaben sind“ oder „Wenn Du in einem dynamischen Team arbeiten willst, bewirb Dich jetzt“. Viele Bewerberinnen und Bewerber reagieren darauf erst mal verunsichert, sagt Volker Klärchen, der als Karriere-Coach Klienten beim Bewerbungsprozess unterstützt. „Sie fragen sich zum Teil mit Mitte 30 schon, ob sie für diese Firma zu alt sind.“ Kein Wunder, lange war eine formale Ansprache mit „Sie“ in Bewerbungen üblich.

Eine Frage der Firmenkultur

Das „Du“ ziele nicht automatisch auf junge Mitarbeitende ab. „Daher sollten sich auch erfahrene Bewerberinnen und Bewerber von einer Du-Ansprache in der Ausschreibung nicht abschrecken lassen“, rät Jennifer Gebhardt vom Personaldienstleister Hays.

Im Gegenteil: „Oft geht es darum, Zugehörigkeit zu erzeugen und Offenheit zu signalisieren.“ Bei manchen Firmen gehöre das einfach zur Unternehmenskultur. „Da duzen sich vom Vorstand bis zum Praktikanten dann alle“, berichtet Gebhardt. Manche Firmen würden das aber auch aus Imagegründen machen, sagt Klärchen. „Sie wollen dann nicht so steif, sondern jung und locker wirken.“

Und sie wollen damit Bewerberinnen und Bewerber anlocken. „In einer Ausschreibung macht ein Unternehmen Werbung für sich“, sagt Vanessa Thalhammer, Pressesprecherin bei der Bundesagentur für Arbeit.

„Die Beschreibungen zur Tätigkeit und zum Unternehmen, aber auch die Ansprache entscheiden darüber, ob sich Bewerberinnen und Bewerber überhaupt intensiver über das Unternehmen informieren.“

Passende Ansprache finden

Im Normalfall sollte man in der schriftlichen Bewerbung Ansprechpartner aber mit „Sie“ anschreiben, rät Thalhammer. So erfülle man die offiziellen Formalien einer Bewerbung und gehe sicher, dass die Ansprache als angemessen empfunden werde.

„Eine Ansprache mit „Du“ empfehlen wir nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber ganz sicher ist, dass sich die Mitarbeitenden in dem Unternehmen über alle Hierarchieebenen hinweg mit „Du“ ansprechen.“ Zum Beispiel weil er oder sie dort vor der Bewerbung ein Praktikum gemacht hat. Oder wenn der Ansprechpartner oder die Ansprechpartnerin persönlich bekannt sind.

Diese Einschätzung teilt Klärchen nicht ganz: „Sobald die Firma einen duzt, darf man auch duzen.“ Aber das ist kein Muss. Es sei völlig in Ordnung, etwa künftige Vorgesetzte im Anschreiben zu siezen. Wichtig sei nur, dass Bewerber die Ansprache wählen, mit der sie sich wohlfühlen. Spätestens im Bewerbungsgespräch würde das sonst komisch auffallen. „Sie sollten authentisch bleiben“, so Klärchen.

Dass eine Ansprache mit „Sie“ unsympathisch rüberkommen könnte, müsse man nicht befürchten, sagt Jennifer Gebhardt. Das sei kein Ablehnungsgrund. Entscheidender sei ohnehin, dass Rechtschreibung und Grammatik stimmen. Und: „Der Ton sollte auch bei einer Du-Ansprache auf einer professionellen Ebene bleiben“, so Gebhardt.

Nicht alles entscheidend

Noch wichtiger sei Individualität, so die Expertin. Die Bewerbung muss auf die Stelle und die Firma zugeschnitten sein. Das Anschreiben sollte nicht eins zu eins den Lebenslauf wiedergeben. „Schildern Sie Ihre Motivation, warum Sie auf den Job Lust haben. Erklären Sie, woher Sie Ihre Fähigkeiten und Begeisterung für die Tätigkeit haben.“

Auch Klärchen ermutigt: „Es geht darum, dass man seine Persönlichkeit gut darstellt und eine Botschaft transportiert.“ Wichtiger als die Form ist im Anschreiben seiner Meinung nach der Inhalt. Bewerberinnen und Bewerber sollten sich so zeigen, wie sie sind. So ziehe man Firmen an, die einen wollen und filtere unpassende Stellen früh aus.

Direkt nachfragen

Kommt eine Einladung zum Bewerbungsgespräch, rät Klärchen: „Sie oder Du – sprechen Sie diesen Punkt am besten gleich am Anfang an.“ Sonst frage man sich ständig, ob man das Gegenüber nun duzen oder siezen soll und ist vom eigentlichen Inhalt abgelenkt. „Nachfragen ist legitim“, sagt auch Gebhardt, die unter anderem Absolventinnen und Absolventen bei Bewerbungen berät. Man könne sagen: „Sie haben in der Stellenanzeige die Du-Form gewählt. Jetzt wollte ich mich höflicherweise erkundigen, ob wir uns heute auch duzen wollen.“ Oft stellen sich die Ansprechpartner ohnehin zuerst vor, dann erledige sich dieser Punkt meist von alleine.

Wer nicht geduzt werden will und überlegt, sich wegen der Du-Ansprache nicht zu bewerben, sollte erst mal das Gespräch suchen. „Selten arbeiten Sie mit den Personen zusammen, die die Stellenanzeige formuliert haben“, gibt Klärchen zu bedenken. Es könne sein, dass sich im Alltag direkte Kollegen siezen.

Wird das „Du“ als Teil der Unternehmenskultur im Alltag praktiziert, sollten Kandidaten vor der Vertragsunterzeichnung in sich gehen: „Bewerberinnen und Bewerber, die grundsätzlich nicht mit Du angesprochen werden und andere nicht duzen möchten, sollten überlegen, ob sie die erwünschte Unternehmenskultur teilen können“, sagt Thalhammer.

In englischsprachigen Ländern und Firmen haben es Mitarbeiter meist einfacher, so Gebhardt: Alle Mitarbeiter sprechen sich mit „you“ an. Isabell Modler, dpa