Ausbildungsmesse Lichtenfels
Ausbildungsberufe müssen mit der Zeit gehen. Daher werden in regelmäßigen Abständen neue Ausbildungsordnungen erstellt und die vorhandenen überarbeitet. Ergebnis sind neue und modernisierte Ausbildungsberufe, die den aktuellen Anforderungen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft entsprechen. Ab August 2024 erhalten vier umwelttechnische Berufe ein Upgrade, das für mehr Attraktivität und Sichtbarkeit der Branche sorgen soll.
Aus der Fachkraft für Abwassertechnik wird Umwelttechnologe/-technologin für Abwasserbewirtschaftung. Die Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft wird zu Umwelttechnologe/-technologin für Kreislauf- und Abfallwirtschaft. Aus der Fachkraft Rohr-, Kanal- und Industrieservice wird der Umwelttechnologe für Rohrleitungsnetze und Industrieanlagen. Die Fachkraft für Wasserversorgungstechnik heißt künftig Umwelttechnologe/-technologin für Wasserversorgung.
Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat gemeinsam mit den zuständigen Bundesministerien sowie den Sozialpartnern und Sachverständigen aus der betrieblichen Praxis im Auftrag der Bundesregierung die Ausbildungsordnungen der Berufefamilie modernisiert. Die vier neuen Ausbildungsordnungen treten zum 1. August 2024 in Kraft. Die Berufefamilie ging im Jahr 2002 aus dem Vorgängerberuf „Ver- und Entsorger/-in“ hervor.
Systemrelevant und Teil der kritischen Infrastruktur
Junge Menschen, die auf der Suche sind nach einem interessanten und sinnstiftenden Beruf, sollen mit der Umbenennung leichter den Zugang zur Branche finden. Der Begriff „Umwelt“ im Namen macht ihnen klar: Mit der Ausbildung leisten sie einen nachhaltigen Dienst für den Erhalt von Trinkwasser-, Boden- und Gewässerqualität. Die Namensänderung gehört zu den wesentlichen Neuerungen, die sämtliche vier umwelttechnischen Berufe betreffen.
Mehr Zeit für Fachqualifikation
Die Inhalte der Ausbildung wurden ebenfalls angepasst, um den zunehmend spezialisierten Tätigkeiten in den einzelnen Berufen Rechnung zu tragen. So wird die Kernqualifikation zukünftig auf ein Jahr gemeinsame Ausbildung verkürzt, um mehr Zeit für die Fachqualifikation zu bieten. In der jetzigen, noch gültigen Ausbildungsordnung drücken Azubis aller vier Berufe eineinhalb Jahre gemeinsam die Schulbank.
Was ist neu?
Die Umwelttechnologen/-technologinnen für Wasserversorgung sorgen für eine stets verfügbare und sichere Versorgung mit unserem wichtigsten Lebensmittel dem Trinkwasser. Wichtige Aspekte der Neuordnung sind zum Beispiel der nachhaltige Umgang mit der Ressource Wasser- und die Optimierung von Prozessen, um Wasserverluste zu verhindern. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Digitalisierung, unter anderem über die Nutzung von Datenanalysen, Simulationen und die Anwendung digitaler Verfahren.
Die Umwelttechnologen/technologinnen für Abwasserbewirtschaftung sorgen dafür, dass Abwässer und auch die Niederschläge ohne Schaden für Mensch und Umwelt wieder in den Wasserkreislauf zurückgegeben werden können. Ein neuer Aspekt ist die Regenwasserbewirtschaftung als Reaktion auf den Klimawandel. In diesem Kontext können Netzinformationssysteme und Simulationen zum Einsatz kommen. Ein weiterer Fokus liegt zudem auf den Themen (Rück-)Gewinnung von Energie und Energieeffizienz sowie weitergehenden Reinigungsverfahren.
Die Umwelttechnologen/technologinnen für Kreislauf- und Abfallwirtschaft entsorgen fachgerecht Abfälle und machen Wertstoffe für die weitere Nutzung wieder verfügbar. Dazu bedienen sie Anlagen und wickeln logistische Prozesse ab. Neuerung: Die bisherigen Schwerpunkte entfallen, sodass Umwelttechnologen/-technologinnen für Kreislauf- und Abfallwirtschaft künftig in allen Bereich einsetzbar sind.
Die Umwelttechnologen/technologinnen für Rohrleitungsnetze und Industrieanlagen sorgen dafür, dass kommunale und industrielle Abwässer sicher zur Wiederaufbereitung gelangen. Im Schwerpunkt Industrieanlagen sichern sie mit ihren Dienstleistungen effiziente und umweltschonende Produktionsabläufe in Industrieunternehmen. Der Beruf wird weiterhin in zwei Schwerpunkten ausgebildet: Rohrleitungsnetze oder Industrieanlagen. Die zeitlichen Richtwerte für die Schwerpunkte haben sich von 30 auf 42 Wochen erhöht. Außerdem wurde der Fokus auf die Arbeitssicherheit noch einmal verstärkt.
Inspektion und Sanierung ausgeweitet
Im Ausbildungsrahmenlehrplan der Umwelttechnologen für Rohrleitungsnetze und Industrieanlagen wurden die Inhalte für Kanalinspektion und Instandhaltung von Rohrleitungsnetzen deutlich ausgeweitet. Im dritten Ausbildungsjahr soll der Bereich „Rohrleitungsnetze sanieren“ verstärkt auf dem Stundenplan stehen.
Zwischenprüfung fließt künftig ins Endergebnis ein
Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Änderung der Prüfungsform. Bisher stand nach eineinhalb Jahren der Ausbildungszeit die Zwischenprüfung an, die keinerlei Auswirkung auf die Abschlussprüfung hatte. Zukünftig soll die Zwischenprüfung nach einem Jahr abgelegt und anteilig mit in das Gesamtergebnis der Abschlussprüfung einfließen. Eine verbockte Zwischenprüfung hat damit deutliche Auswirkungen auf das Endergebnis. Die nun gestreckte Abschlussprüfung gibt Ausbildern die Möglichkeit, den Auszubildenden mehr Unterstützung anzubieten. Jürgen Scheibe
Hintergrund
Der Ausbildungsberuf „Fachkraft für Abwassertechnik“ wurde 2018 stellvertretend für die gesamte Berufefamilie im Rahmen der Initiative „Berufsbildung 4.0“ systematisch auf Veränderungen und zukünftige Anforderungen durch die Digitalisierung untersucht. Die Analyse zeigte, dass die Aufgaben in dem Beruf durch den Einsatz digitaler Technologien anspruchsvoller werden. Voraussetzung ist jedoch immer ein umfassendes Verständnis für das umwelttechnische System, in dem gearbeitet wird, und die dazugehörigen Prozesse. Gleichzeitig bleiben grundlegende - auch handwerkliche - Aufgaben ein wichtiger Bestandteil des Arbeitsalltags. Quelle: BIBB