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Jonas Merzbacher, 1. Bürgermeister der Gemeinde Gundelsheim: „Wir sollten nicht handeln, sondern müssen.“

Ein Gewinn für alle: Das Thema Nachhaltigkeit bringt Gemeinschaftsgefühl und Zusammenhalt.

Jonas Merzbacher, 1. Bürgermeister der Gemeinde Gundelsheim: „Wir sollten nicht handeln, sondern müssen.“

Foto: B.Desch

23.07.2022

Erfreulicherweise ist Klimaschutz – trotz Corona – in vielen Kommunen ganz oben auf der Agenda geblieben. Das macht neugierig: Wie spiegeln sich aktuelle politische Entwicklungen vor Ort wider? Wir haben beim 1. Bürgermeister Jonas Merzbacher der Gemeinde Gundelsheim nachgefragt, wie Klimaschutz in der Kommune verankert ist, wo er bereits Wirkung zeigt und wie er in der Gemeinde angenommen wird.Was kann Ihre Gemeinde zum Klimaschutz beitragen?Über 3500 Menschen können jede Menge beitragen. Wichtig ist, dass wir uns von der Symbolpolitik verabschieden. Klimaschutz muss eine Querschnittsaufgabe sein und bei allen Projekten mitbedacht werden. Dabei müssen aber alle – besonders der finanziellen Leistungsfähigkeit - mitgenommen werden. Dabei verstehe ich das Gießkannen-Prinzip zum Beispiel beim Sprit nicht. Kommen wir zurück zur Gemeinde Gundelsheim… Eine Gemeinde kann vor allem das Bewusstsein vor Ort schaffen - insbesondere bei den Kindern. Eine Aktion dabei ist zum Beispiel unser Laufbus: Die Idee des Schulbusses auf Füßen ist einfach: Eine Gruppe von Kindern geht in Begleitung eines Erwachsenen zu Fuß zur Schule. Wenn die Gruppe sicher genug ist, läuft sie alleine. Wie ein Schulbus hat der Laufbus eigene „Haltestellen“ und einen Streckenplan. So muss kein Kind lange auf „die Abfahrt“ warten. Wir wollen das Eltern-Taxi abschaffen und die Kinder sind dafür unsere Botschafter. Es macht ihnen Freude.

Was hat Ihre Gemeinde bisher schon erreicht?

Genug. Zu wenig. Das müssen andere beurteilen. Ich finde es gut, dass wir es als Querschnittsaufgabe und realistisch anpacken. Eingeschränkter Winterdienst, E-Auto, Vortragsabende, LED-Beleuchtung, Reduziertes Mähen, Energetische Sanierungen, Schaffung von Trennsystemen beim Abwasser, Wasser-Tage im Ferienprogramm, Pumpen-Austauschprogramm, Anruf-Linien-Taxi, Bürger-Solar-Dach… und all diese Aktionen gibt es seit über 10 Jahren. Die gemeindlichen Gebäude wie die Spezerei, Altes Rathaus, Wohngebäude haben ein kleines Nahwärmenetz. Zu wenig erreicht haben wir beim ÖPNV – da haben wir die Taktung und das Angebot zu spät erhöht. Das Zweitauto für die Familie wurde angeschafft.

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Bachfest. Foto: Gerd Rainer Müller
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Ortsmitte Gundelsheim. Foto: Gemeinde Gundelsheim

Was wird sich in den kommenden Jahren noch einmal für Ihre Gemeinde verändern?

Die Projektgruppe Umwelt wird hoffentlich das Thema noch stärker in das Bewusstsein bringen. Dafür wird eine eigene Rubrik im Mitteilungsblatt entstehen. Ansonsten sind wir gut und vor allem sachlich unterwegs. Denn es hilft nicht auf Traditionen zu verzichten, im Gemeinderat Stimmung zu machen und am nächsten Tag die Flugreise buchen, Diesel unüberlegt zu fahren. Das Gesamtpaket muss eben stimmen, teilweise müssen Dinge aber auch rechtlich geregelt sein. So ist zum Beispiel Plastikgeschirr bei öffentlichen Festen seit über 15 Jahren in Gundelsheim bereits verboten. Vielleicht sollten wir da einfach ein Stück weit ehrlicher miteinander umgehen.

Was sind die nächsten Projekte im Bereich Nachhaltigkeit und Umweltschutz?

Die wertvollste Energie ist die nicht benötigte - nichts Neues. Hier haben wir noch Entwicklungspotential und prüfen gerade verschiedene Projekte: Beleuchtung, Heizung, Reduzierung von Fahrten. Beim Krippen-Bau und der Wärme-Versorgung Feuerwehr, Bauhof wollen wir Maßstäbe setzen. Derzeit diskutieren wir gerade den Neu- und Umbau unserer Kläranlage. Hier besteht Handlungsbedarf und da werden wir unsere Hausaufgaben machen. Die Geschlossenheit des Gemeinderates dabei ist groß und motiviert. Nachdem auf der Gemarkung Gundelsheim Wind- und Solaranlagen schwer zu verwirklichen sind, wäre das Thema Wasserkraft auch als Lehrbeispiel noch einmal zu prüfen.

Arbeiten Sie mit anderen Kommunen/Gemeinden zusammen, um mehr zum Umweltschutz beizutragen?

Hier haben wir die Regionalwerke als große Chance gesehen, schließlich ist dort der Landkreis, die Stadt Bamberg, die Stadtwerke und 31 Kommunen des Landkreises vertreten. Leider sind diese in weiten Teilen aufgrund von hausgemachten Problemen ein Totalausfall. Jammern hilft da nichts, sondern den Blick nach vorne richten. Selbstverständlich gibt es hinsichtlich von Projekten für den Umweltschutz immer wieder Austausch – schließlich geht es um die Sache und da hat Kirchturm-Denken - wie grundsätzlich überhaupt – nichts zu suchen. So haben wir zum Beispiel bei unserer Bürgersolardach GbR vor zehn Jahren genau nach Hallstadt geschaut. Man muss ja das Rad nicht immer neu erfinden. Und diese Aufzählung könnte ich ganz nach dem Motto “Gemeinsam geht mehr“ lange fortsetzen.

Was ist Ihre ganz persönliche Motivation, sich für globale Nachhaltigkeit und Umweltschutz einzusetzen?

Das Wissen in der Sache reicht und motiviert. Wir sollten nicht handeln, sondern müssen. Außerdem bringt das Thema Nachhaltigkeit auch Gemeinschaftsgefühl und Zusammenhalt. Somit ist es auch ein Gewinn für alle. Selbstkritisch betrachtet muss ich da bei meinem persönlichen Handeln teilweise noch eine Schippe drauflegen: Mehr Radfahren zum Beispiel. Doch eine Motivation gibt es noch: Wir müssen es hinbekommen, dass Lasten fair verteilt werden, den Menschen das Handeln ehrlich erklärt wird. Dann erlangen wir mehr Glaubwürdigkeit und konsequentes Handeln in der Politik, in der Gesellschaft.