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Arbeitsmarkt aktuell: Der Stand der Dinge

Bewerber gesucht: Welche Jobs haben Potenzial und welche Branchen Bedarf?

Arbeitsmarkt aktuell: Der Stand der Dinge

FOTO: FOTOGESTOEBER - STOCK.ADOBE.COM

09.09.2023

Der Personalbedarf der Betriebe war im Juli leicht abgeflacht - was aber laut Bericht der Bundesagentur für Arbeit kurz vor den Sommerferien nicht ungewöhnlich ist. Der Arbeitgeberservice der lokalen Zweigstelle Bamberg-Coburg bekam im Juli 303 sozialversicherungspflichtige Stellenangebote gemeldet - 14,8 Prozent bzw. 227 Stellen weniger als im Vorjahr. Der gesamte Rückgang entfiel allerdings auf den Bereich der Zeitarbeit. Zu diesem Zeitpunkt waren das im genannten Bereich demnach 362 Beschäftigungsofferten und 6,5 Prozent weniger als 2022, aber: Der gesamte Stellenpool war damit um 1283 Angebote bzw. 15,9 Prozent größer als vor zwei Jahren.

Rein statistisch kommen auf hundert gemeldete sozialversicherungspflichtige Stellen derzeit lediglich 124 potenzielle arbeitslose Bewerber. Und: Der Arbeitgeberservice Bamberg-Coburg verfügt laut Veröffentlichung sogar „über einen heterogenen Stellenmix“. Trotzdem gibt es eine Unwucht: Mehr als drei von vier Stellen seien für ausgebildete Fachkräfte bestimmt, während über die Hälfte der Suchenden keinen „verwertbaren“ Schulabschluss vorweisen könne.

Akut und konkret: Berufssegmente mit Personalmangel

Wo es gerade Arbeit gibt? In der Region in der Fertigungstechnik und in Fertigungsberufen. Innerhalb von Verkehr und Logistik, in Gesundheitsberufen und im Handel. Dazu kommen noch zahlreiche offene Stellen im Bau- und Ausbauhandwerk und im Lebensmittel- und Gastronomiegewerbe. Ebenfalls immer auf der Suche: das Reinigungssegment.

Bundesweit definiert auch die Bundesregierung Bereiche mit akutem und Demnächst-Fachkräftemangel. Gebraucht werden auf Dauer mehr Ingenieure, mehr Energieberater, Umwelttechniker und Konstrukteure für die Planung vom Umbau der Wirtschaft. Elektroniker, Gebäudetechniker und Heizungstechniker für die Umsetzung des Umbaus. Der Alltag fordert im ganzen Land nach wie vor Fachkräfte für Gastronomie und Hotels, Erzieher und Pflegekräfte. Und weiterhin für Handel und Einzelhandel. Auch laut Focus Finanzen und Stellenportal Stepstone hat sich die Zahl der Stellenausschreibungen in letzter Zeit stark vervielfältigt. Ausgeschrieben werden in den genannten Branchen unterschiedlichste Stellen rund um verschiedene Voraussetzungen und Bildungsabschlüsse.

Wieso und warum: Der Arbeitsmarkt im Umbruch

Berufe verschwinden und deswegen auch Arbeitsplätze? Die Bundesregierung definiert die Perspektive anders und sagt, warum der Bedarf an Arbeitssuchenden groß ist und groß bleibt. Alles dreht sich da um die großen D: Durch den Bedarf D wie Demografie gehen aktuell und zukünftig mehr Arbeitende in Rente, als Arbeitssuchende nachrücken. Auch in punkto D wie Digitalisierung muss Deutschland dranbleiben: Alte Jobs gehen oder verändern sich aber es entstehen auch viele neue mit neuen Stellenanforderungen. Das dritte D wird über den Fachbegriff der Dekarbonisierung definiert: Im Zuge der globalen Reduzierung von CO2-Emissionen und Nachhaltigkeit entstehen immer mehr sogenannte Klimajobs - neue Berufe und Arbeitsplätze, für die aber auch neue Qualifikationen der Arbeitnehmer notwendig sind.

Geringqualifiziert? Kein zwangsläufiges Problem

Nach Meinung unterschiedlicher Experten boomt nichtsdestotrotz auch der Arbeitsmarkt für Geringqualifizierte. Im Westen der Republik wurde das genauer untersucht: Die IHK Mittleres Ruhrgebiet zum Beispiel beziffert den Anteil der Stellen für Menschen ohne Berufsabschluss oder mit geringer Qualifikation als ein Drittel aller freien Arbeitsplatzangebote auf dem Arbeitswelt-Portal. So gäbe es mit immer komplexer werdenden, aber auch neu entstehenden Arbeitsfeldern auch immer mehr Bedarf an assistierenden Helferjobs, die von Menschen mit Bildungsabschluss-Mankos ausgeübt werden können.

Wie Bedarf und Nachfrage auf einen Nenner bringen?

Pflege, Gastronomie oder Einzelhandel: Aktuell besonders unterbesetzte Branchen haben gerade ein Image-Problem. Allerdings nicht, weil sich Jobprofile verändert haben, sondern weil die immer Arbeitsbedingungen schwieriger geworden sind. Was alle drei bei aller Unterschiedlichkeit gemeinsam haben: eine oft unselige Kombi aus schwierigen Arbeitszeiten und Schichtmodellen mit vor allem in Gastronomie und Einzelhandel - nicht fairer Bezahlung. Der resultierende Personalmangel, vor allem im besonders gesellschaftsrelevanten und sensiblen Bereich Gesundheit, verschärft die Spirale nach unten. Laut Arbeitsmarkt-Experten notwendig: noch mehr Flexibilität und Durchlässigkeit auf beiden Seiten. Wachsende Wertschätzung sogenannter niedriger Bildungsabschlüsse auf Arbeitgeber- und Ausbilderseite. Und laut Experten müssen Jobbzw. Branchenwechsel noch leichter werden. Arbeitgeber zum Beispiel können die Attraktivität ihrer Jobangebote erhöhen, indem Arbeitsbedingungen verbessert und Ausbildungsmöglichkeiten flexibler und besser werden.

Mehr Kommunikation und Weiterbildung

Voraussetzungen schaffen, von denen alle profitieren: Es gibt schon viele Bildungsträger, die (Nach-)Qualifizierungsbausteine offerieren für Menschen mit Lernbehinderung, sozial benachteiligte oder zugewanderte Menschen. Maßnahmen wie Qualifizierung, Teilqualifizierungen, Umschulungen und externe Prüfungen könnten in Kooperation mit Arbeitsagenturen aber noch weiter ausgebaut werden. Arbeitssuchende sollten nach Meinung von Arbeitgebern aber im Gegenzug auch Bereitschaft zeigen, Mangelberufe zu lernen oder Wechsel zu Mangelberufen flexibler in Angriff zu nehmen. Besonders wichtig auch: Weichen früh zu stellen. Die Unwucht zwischen überfragten und unterbesetzten Branchen beginnt im Moment schon mit der Abiturienten- und Akademikerschwemme. Eine wachsende Wertschätzung von anderen Bildungsabschlüssen und nichtakademischen Jobs und mehr Hinwendung zu Ausbildungen in gesellschaftsrelevanten und lebenswichtigen Branchen könnten auf lange Sicht ausgleichen. Annette Gropp

Mehr Menschen denken über Jobwechsel nach

Laut aktueller Umfrage der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) hat die Jobwechselbereitschaft von Beschäftigten in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Dabei schauen sich nur sechs Prozent der Befragen aktiv und 20 Prozent gelegentlich nach einem neuen Job um. 37 Prozent seien nicht abgeneigt, sollte sich eine Gelegenheit ergeben. Gründe wurden nicht abgefragt, allerdings haben drei von vier Arbeitnehmern früher schon mal gewechselt: Als Gründe dafür nannten sie zu niedriges Gehalt (34 Prozent), das Führungsverhalten von Vorgesetzten (29 Prozent) und eine schlechte Unternehmenskultur (23 Prozent).

Quelle: Ernst & Young/Süddeutsche Zeitung