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Die neue Flucht aufs Land

Der extreme Preisdruck in der Schwarmstadt Bamberg treibt immer mehr Familien auch in abgelegenere Gemeinden.

Die neue Flucht aufs Land

Platz, viel Natur und vergleichsweise niedrige Kosten – all das versprechen gerade jene Ortschaften imLandkreis, die bisher eher in der zweiten Reihe standen. FOTO: RONALD RINKLEF

06.12.2021

Ein frei stehendes Einfamilienhaus mit 200 Quadratmetern Wohnfläche, Garten und Garage. In Bamberg ist dieser Traum für viele Familien nicht zu finanzieren. Doch nun scheint der Boom der Städte eine Gegenbewegung auszulösen: Immer mehr Familien begeistern sich für die Vorzüge des Landes. Ob Priesendorf oder Oberhaid, ob Schlüsselfeld oder Scheßlitz, seit wenigen Jahren profitieren auch die weiter von Bamberg entfernten Landkreisgemeinden von neu erwachter Nachfrage nach Baugrundstücken und Immobilien.Diese Entwicklung beschreibt die Sparkasse Bamberg bei ihrer jährlichen Rückschau auf das Immobilien-Geschäft. Der aus den Grunderwerbssteuersummen herausgerechnete Umsatz zeigt, wo die Musik spielt: Das Interesse an neuen oder auch gebrauchten Häusern und Wohnungen im Landkreis hat drastisch zugelegt.2020 kletterten die Immobilienkäufe im Bamberger Umland auf 312 Millionen Euro, ein Sprung von rund 40 Prozent seit 2016 und ein Rekordwert. Dieser Zuwachs stellt die Stadt Bamberg in den Schatten, wo es nur um sieben Prozent nach oben.  

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QUELLE: Marktspiegel 2021 der Sparkassen-Immo

Ein Rätsel ist es nicht, warum immer mehr junge Familien der Stadt den Rücken kehren. Zum Beispiel die kaum noch zu findenden Bauplätze: 490 Euro pro Quadratmeter müssen Käufer berappen, wenn sie in Bamberg ein Stück Land ihr Eigen nennen wollen – unerschwinglich für viele. Im südlichen Landkreis gibt es immer noch Grundstücke, die für 150 Euro den Eigentümer wechselten. 110 Euro nennt das Sparkassenbarometer für den nördlichen Landkreis.

Ähnlich sieht es bei Gebrauchtimmobilien aus, die nach Angaben der Sparkasse ebenfalls deutlich zugelegt haben. In der Stadt Bamberg liegt die Preisspanne für ein gebrauchtes frei stehendes Einfamilienhaus zwischen 400 000 und 850 000 Euro. Im nördlichen Landkreis dagegen hängt die Messlatte deutlich niedriger (150 000 bis 500 000 Euro). Auch bei Eigentumswohnungen scheint die Welt aus Käufersicht im Landkreis noch halbwegs in Ordnung: Hier gibt es Wohnungen deutlich unter 3000 Euro pro Quadratmeter.

Die Bremsspuren einer Trendwende bleiben auch in Bamberg nicht unbemerkt. So stürzte die erfolgsverwöhnte Stadt 2020 bei der Einwohnerzahl ab: Minus 393 Bürger stehen am Ende des Corona-Jahres 2020 – ein Warnwert, wie er seit 30 Jahren nicht mehr festgestellt worden ist.

Zuzug zahlt sich aus

Matthias Krapp ist keiner, der darüber allzu traurig wäre, dass Bamberg ein paar Einwohner verliert. Für den Ersten Bürgermeister von Priesendorf (CSU) ist es wichtig, seine Gemeinde voranzubringen. Dafür ist die ungewohnte Aufmerksamkeit potenzieller Stadtflüchter eine gute Basis. „Priesendorf muss sich nicht verstecken: Wir haben eine tolle Landschaft, ein lebendiges Vereinsleben – und sind in 20Minuten am Schloss Geyerswörth.“

Immer mehr wissen das offenbar zu schätzen, wie sich etwa im Gemeindeteil Neuhausen ablesen lässt. Dort wuchs binnen weniger Monate eine kleine Siedlung aus dem feuchten Boden des Aurachgrunds. „Wir wissen, dass es nicht die Liebe zu Priesendorf ist, die die meisten Menschen hierher führt, sondern das bezahlbare Bauland“, sagt Krapp. Doch für die 1500-Einwohnergemeinde zahlt sich der Zuzug dennoch aus: „Wir haben dadurch die Schrumpfung der Gemeinde gestoppt.“ Ein Einzelfall ist Priesendorf damit nicht. Überall im Landkreis, wo zuletzt Baugebiete ausgewiesen wurden, standen Bewerber Schlange.

Die Preise steigen weiter

Wie nachhaltig ist der Ansturm auf Immobilen und die neue Lust am Landleben? Die Experten der Sparkasse Bamberg glauben nicht, dass der Motor ins Stottern geraten könnte, der hinter dieser Entwicklung steht: Es gebe keinen Grund für eine Wende bei der Zinspolitik, und bis 2030 ist ein Bevölkerungswachstum in der Region um 1700 Menschen prognostizeirt, Unter diesen Vorzeichen scheint ein Ende der nachfrage unwahrscheinlich: Die Preise werden weiter steigen. Quelle: Fränkischer Tag Bamberg, 16. Oktober 2021, Seite 3, Autor: Michael Wehner