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Fakt oder Mythos?

„Tabus“ im Bewerbungsgespräch im Check

Fakt oder Mythos?

Nicht selten lassen Personalfachkräfte die Körpersprache mit in ihre Bewertung einfließen - über die Persönlichkeit eines Bewerbers sagt die aber nur bedingt etwas aus. FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-MAG

25.07.2021

Bloß nicht zu spät kommen. Nicht schlecht über den alten Arbeitgeberreden und ja keine Nervosität zeigen. Nicht die Arme verschränken und nicht zur Seite schauen. Die Liste an vermeintlichen Tabus für Bewerbungsgespräche ist lang.Versucht man alle Tipps zu beherzigen, weiß man gar nicht mehr, wie man sich richtig verhalten soll. Sich unsichtbar machen ist auf jeden Fall keine Option. Experten erklären, worauf es tatsächlich ankommt im Gespräch - und was an oft genannten Tabus wirklich dran ist. Verschlossene Körpersprache Glaubt man vielen Ratgebern zu Bewerbungsgesprächen, so legen Personalfachkräfte Wert auf die „richtige“ Körpersprache. Nicht die Arme verschränken, nicht auf den Boden schauen - oder war es nicht zur Seite?Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Universität Osnabrück, sagt: „Es ist zwar ein Fünkchen Wahrheit dran, dass die Körpersprache die Persönlichkeit widerspiegelt. Aber das als Basis zu nehmen, um Menschen im Einstellungsinterview zu beurteilen, davon kann aus Sicht der Psychologie nur abgeraten werden.“ Dennoch ergab eine Umfrage von Kanning unter gut 200 Unternehmen, dass bei 70 Prozent Körpersprache-Beobachtungen in die Entscheidung einfließen.Die Coachin und Etikette-Expertin Elisabeth Bonneau rät jedoch dazu, sich nicht Gesten für ein Bewerbungsgespräch an oder abzutrainieren: „Das wirkt immer künstlich und der Personaler bekommt das Gefühl: „Der Bewerber verstellt sich“. Und wer seine Körpersprache prüfen möchte, sollte das auch nicht vor dem Spiegel tun: „Man korrigiert sich ständig und kommt nicht weiter.“ Besser sei es, eine Kamera aufzustellen oder Freunde um ein ehrliches Feedback zu bitten.Nervosität zeigenKandidaten wird oft nahegelegt, im Gespräch möglichst Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen. Leichter gesagt als getan - und letztlich nicht unbedingt entscheidend, sagt Kanning: „Vor einem Bewerbungsinterviewnervös zu sein, ist nachvollziehbar.“Entscheidend sei, wie aufgeregt jemand ist und auf welche Stelle er sich bewirbt. „Wenn ein angehender Azubi mitzitternder Stimme und roten Flecken im Gespräch sitzt, ist das gar nicht schlimm, da wäre ich großzügig“, sagt Kanning. „Jemand, der eine hohe Führungs- oder Sprecherposition bekleiden will, der muss souveräner auftreten, denn im Beruf wird es viel schlimmere Situationen geben.“Unvorbereitet seinAhnungslos ins Bewerbungsgespräch zu spazieren, ist tatsächlich ein No-Go. 91 Prozent der in Kannings Studie befragten 200 Unternehmen wollen zum Beispiel Gründe für die Bewerbung hören, fast 70 Prozent testen Wissen über das Unternehmen. „Das sollte man vorbereiten“, sagt der Wirtschaftspsychologe. Gleiches gelte für Fragen nach den eigenen Stärken und Schwächen: „Niemand will sehen, dass der Bewerber sich dazu erst im Gespräch tiefschürfende Gedanken macht.“Schlecht über den Ex-Arbeitgeber redenHäufig wird auch thematisiert, warum man den Job wechseln möchte. Wer dabei schlecht über den alten Arbeitgeber spricht, verschafft sich selten einen Vorteil. „Das ist tatsächlich ein Tabu“, sagt Bonneau. Man könne auf der Suche nach neuen Herausforderungen sein oder möchte sich beruflich weiterentwickeln, erklärt die Expertin. Dass es einem nach drei Jahren im bisherigen Unternehmen einfach reicht, ist dagegen keine gute Antwort. „Dahinter steckt die alltagspsychologische Annahme, dass es sich nicht um einen loyalen Mitarbeiter handelt“, so Kanning.Unaufmerksam seinBeide Experten legen Bewerbern ans Herz, sich auch mit ihrem passiven Part im Gespräch etwas genauer zu beschäftigen: dem Zuhören. Denn, so erklärt Bonneau, vielleicht bekommt man etwas über das Unternehmen erzählt, das man dank guter Vorbereitung schon weiß. Dann gilt es, nicht gelangweilt in sich zusammenzusacken, sondern interessiert zuzuhören. Sein Gegenüber anschauen, lächeln, nicken: Das kommt gut an - und kann laut Kanning am Ende entscheidend sein: „Die Eignung ist meist weniger wichtig als das Gefallen. Die Entscheidung hängt davon ab, wie der Interviewer sich mit dem Bewerber fühlt.“ dpa-mag