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Funkenflug & Knalleffekt

Die explosive Geschichte des Silvesterfeuerwerks

Funkenflug & Knalleffekt

Foto: Adobe Stock

24.12.2022

So ein Silvesterfeuerwerk überwältigt auf mehreren Ebenen und mit maximaler Power. Schlag Mitternacht gibt's Spektakuläres fürs Auge, ordentlich was auf die Ohren und als Beigabe die ganz spezielle Silvester-Rauchnote. Ein Duft, der sich mit der kalten Winterluft mixt und den Zeitpunkt unverwechselbar macht. Und der wie viele Aspekte dieses Events - im aktuellen Volumen inzwischen umstritten ist. Das Krachmachen, das Feurige und Feierliche für alle Sinne hat aber Tradition. Und bewegt sich schon immer zwischen Faszination und Skepsis.

Nichts ohne Pulver: Voraussetzung für den Urknall

An der Ursprungsgeschichte des Feuerwerks an sich wird viel herumdebattiert. Ohne Schwarzpulver kein Wumms: Als Erfinder der krachigen Mischung aus Salpeter, Kohlenstoff und Schwefel stehen gleich mehrere - und zu unterschiedlichen Zeitpunkten - zur Debatte. Zum Beispiel der Engländer Roger Bacon im 13. Jahrhundert. Oder der Franziskanermönch Bertold Schwarz, der im 14. Jahrhundert in Freiburg lebte und auch noch den passenden Namen hat. Und noch viel früher der chinesische Mönch Li Tian, der um das Jahr 1000 beim Neujahrsfest explodierende Bambusstäbe verwendete, um böse Geister zu vertreiben.

Diskutiert wird aber auch der Zweck der frühen Böllerei. Dass sich damals alles um Geister-Vertreibung oder Fruchtbarkeitsrituale gehandelt hat, wird inzwischen offensiv in Frage gestellt. Historiker sagen, dass dies mit dem Forschergeist des 19. Jahrhunderts zu tun hatte. Da habe man versucht, Lautstärke und Opulenz maximal mit archaischen Ritualen zu rechtfertigen.

Die irre Optik des Feuerwerks: Neuzeit-Spektakel?

Das Feuerwerk in epischer Breite und mit allem optischen Drum und Dran: eine Erfindung der Adligen der frühen Neuzeit. Die Anfänge der schicken Feierlichkeiten beginnen bei Hofe und die ersten Feuerwerker waren Artilleriemeister, ein eigener beim Militär- und Berufsstand als Vorreiter gilt Italien. Diverse aktuelle Pyrotechniker wollen herausgefunden haben, dass alle wesentlichen Elemente der Feuerwerkskunst und damit Feuerwerksfiguren und Bauten im 14. Jahrhundert von Italienern entwickelt wurden.

1506 findet in Konstanz erstmals ein geschichtlich erwähntes Feuerwerk auf deutschem Boden statt. Wer kann, der kann: Im 16. bis zum 18. Jahrhundert gibt's dann gigantische Spektakel anlässlich von Geburten, Hochzeiten, Krönungen. Könige lernen, wildeste Knall-, Licht- und Farbeffekte zu zaubern. Ludwig der XV. zündet 1770 angeblich 20.000 Raketen, 6000 Vulkane und 80 brennende Sonnen. Und: 1749 startet mit Händels Feuerwerksmusik auch die Liaison zwischen Feuerspektakel und verfeinerter Akustik.

Aber warum Silvester?

Trotz aller historischer Kritik an der Verbindung zu heidnischen Bräuchen: Dass gerade an Silvester Krach gemacht und Feuer gezündet wird, dessen Ursprung verorten Historiker trotzdem in der Zeit der Germanen. Die vertreiben zum Jahreswechsel Dämonen und böse Geister mit Lärm. Als Werkzeuge dienen zunächst Rasseln, Dreschflegel und sogar Peitschen. Später im Mittelalter dann Pauken, Trompeten und Glockengeläut - alles, um sich vor den Schergen des Teufels und bösen Geistern im neuen Jahr zu schützen. Laut professionellen Pyrotechnikern leuchten die explodierenden Feuerwerkskörper zur damaligen Zeit nicht so hell und nicht so bunt, weil noch Chemie fehlt. 1838 wird die erste deutsche Feuerwerksfirma gegründet und weiterentwickelt.

Dass dann das Feuerwerk erst im ausgehenden 19. Jahrhundert für die normale Bevölkerung zugänglich wird, hat ebenfalls mit Technik zu tun. Erst fortgeschrittene Pyrotechnik und bessere Verfügbarkeit von wichtigen Metallnitraten machen das Feuerwerk quasi finanzierbar und demokratisch - bis es tatsächlich in die Massenproduktion geht. Erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist es zum Jahreswechsel unerlässlicher Brauch, auch als Laie loszuzünden.

Fall ohne Knall

Dass die feierliche Abfeuerei durchaus Nebenwirkungen und einen ungesunden Hang zur Eskalation hat: Liegt in der Natur vieler Dinge, die mehrdimensionale Effekte haben und dabei exorbitant Spaß machen. Deswegen gibt's seit Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts immer mehr Bremsbereitschaft. Raketen und Böller dürfen nur an Silvester und Neujahr gezündet werden - und dementsprechend nur in einer engen Zeitspanne verkauft werden. Hintertürchen für andere Anlässe gibt's schon: Weil die Lagerung von Feuerwerkskörpern für den Eigengebrauch erlaubt ist, darf Ende des Jahres theoretisch gebunkert werden. Fürs Abbrennen zu festlichen Privat-Anlässen sind Genehmigungen allerdings unabdingbar.

Zu heftigsten Pandemiezeiten gab es radikale Einschränkungen: Von 2021 auf 2022 wurde der Verkauf von Feuerwerkskörpern sogar verboten, um Krankenhäuser vor Überlastung zu schützen. Zusätzlich werden in großen Städten Verbotszonen auf großen Plätzen oder in Parks markiert.

Nach der Pandemie ist wie vor der Pandemie?

Weil die epidemische Lage ebenso Geschichte ist, herrscht aktuell buchstäblich granatenmäßiger Feierbedarf. Prognose der Feuerwerks-Hersteller für die anstehende Silvesternacht: lauter, bunter und heftiger. Neu dazu kommen aber auch wie vor Corona Forderungen von Umwelthilfe oder Polizei-Gewerkschaft für allgemeines Böllerverbot wegen steigender Verletzungsgefahr, Lautstärke, Müllmenge und vielen anderen Nebenwirkungen. Der aktuelle Jahreswechsel ist sicher nicht das letzte Kapitel der ebenso analogen wie zwiespältigen Silvester-Feuerwerks-Geschichte - zwischen Genialität und Wahnsinn. Annette Gropp