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Das isst Deutschland an Weihnachten

Gänsebraten zu Weihnachten oder Fondue: Das isst man halt überall - oder?

Das isst Deutschland an Weihnachten

Foto: Adobe Stock

24.12.2022

Weihnachten - das besinnliche Fest, an dem die Familie zusammenkommt und allen Streit und Stress vergisst, sobald das Festessen auf den Tisch kommt. Deutschland ist sehr traditionell, wenn es ums Essen geht: Die Weihnachtsgans darf nicht fehlen. Dann gibt es auch Raclette, Fleisch- oder Fisch-Fondue - und die klassischen Würstchen an Heiligabend. Etwas anderes kommt bei uns Deutschen gar nicht auf den Tisch! Oder? Es mag jetzt verrückt klingen, aber wir Deutschen sind schon ein bisschen kreativer, was festliche Weihnachtsessen angeht. Schauen wir doch einfach unseren regionalen Nachbarn auf den Teller. Kennen Sie zum Beispiel Labskaus?

Franken

Was kommt in Franken auf den Tisch? Hier liebt man seine regionalen Bratwürste mit Kartoffelsalat. Das einfache Essen ist schnell vorbereitet und auch schnell gegessen, außerdem schmeckt es fantastisch! Auch liebt man hier Blaue Zipfel an den besinnlichen Tagen eine Spezialität der fränkischen Küche. Weihnachten in Franken würde jedoch für viele seinen Zauber verlieren, gäbe es keinen Karpfen - egal ob gebacken oder blau. Wer es traditionell mag, der macht sich zu Weihnachten Hochzeitsessen: das fränkische Rindfleisch mit Meerrettich, serviert mit Preiselbeeren und breiten Nudeln. Noch nicht festlich genug? Dann doch lieber Sauerbraten mit einer kräftigen dunklen Lebkuchensoße serviert, dazu Kloß und Blaukraut. Wer es etwas klassischer bevorzugt, für den gibt es Schäufele mit Wirsinggemüse. In Mainfranken liebt man auch die Mostsuppe - und dazu braun geröstete Weißbrotwürfel mit Zimt bestäubt.

Pfalz

In Rheinland-Pfalz liebt man den Pfälzer Wein, die Esskastanien (in der Pfalz auch Keschde genannt) und die deftigen Spezialitäten - die natürlich auch an den Weihnachtsfeiertagen nicht fehlen dürfen. Die Rheinebene versorgt die dort lebenden Menschen mit frischem Gemüse, Wild und Fischen. An Heiligabend muss es schnell gehen, also gibt es auch hier die regionalen Bratwürste - oder die Pfälzer Leberknödel (in der Pfalz auch Lewwerknepp oder Flääschknepp genannt) mit Sauerkraut! 

Gerade an den Feiertagen darf es dann etwas aufwändiger werden und der Wildbraten mit Kastanien-Rotkraut kommt bei vielen Haushalten auf den Tisch. Dazu gibt es üblicherweise Spätzle. Viele wollen auch nicht auf ihre deftigen Pfälzer Spezialitäten verzichten und so gibt es bei vielen Pfälzern zu Weihnachten den Saumagen (Saumache) oder die „Grieweworschd" - hierzulande eher als Grieben- oder Blutwurst bekannt.

Erzgebirge

Ein traditionelles Weihnachtsessen im Erzgebirge und Vogtland ist das „Neunerlei". Es wird auch in vielen Gasthöfen und Restaurants vor und nach Heiligabend serviert - und am besten genießt man es in einer großen Runde. „Neunerlei" steht für neun verschiedene kombinierte Speisen zu Weihnachten. Welche Köstlichkeiten da gemischt auf den Tisch kommen, kann von Familie zu Familie und von Ort zu Ort abweichen. Jedem Bestandteil wird eine bestimmte Symbolik für das neue Jahr zugeordnet. Als Fleisch gibt es Gans, Pute oder Kaninchen, die Glück bringen sollen. Klöße aus rohen und gekochten Kartoffeln stehen für den Wohlstand und dass das Geld nicht ausgehen soll. Bratwurst gibt Kraft und Herzlichkeit. Erbsen, Hirse oder Linsen stehen symbolisch für das Kleingeld, Sauerkraut oder Rotkraut für Gesundheit, Sellerie hingegen für Fruchtbarkeit. Pilze und Rote Bete sollen Freude bringen. Der Nachtisch, Backpflaumen oder Bratäpfel stehen für die Süße des Lebens und für die Stärkung der Familie. Oft wird auch Semmelmilch für schöne Haut gereicht. Brot und Salz dürfen nicht fehlen, sonst fehlen sie das ganze Jahr. Das Brot wird angeschnitten, darf aber nicht aufgegessen werden.

LECKER & GESUND: Unser süßes Weihnachtsrezept
LECKER & GESUND: Unser süßes Weihnachtsrezept

Norddeutschland

Ganz anders geht es im Norden Deutschlands zu. Zum einen gibt es hier zu Weihnachten bei vielen Grünkohl als typisches Wintergericht mit Kassler oder Pinkel (geräucherte und grobkörnige Grützwurst). Serviert wird das Ganze gern mit Kartoffeln. Ein anderes typisch norddeutsches Gericht ist „Grönen Heini" - ein Eintopf, dessen Hauptbestandteile Birnen, Bohnen und Speck sind. Dazu gibt es ebenfalls gekochte Kartoffeln. Natürlich darf zu Weihnachten hier in Norddeutschland auch das traditionelle Labskaus nicht fehlen: ein altes Seemannsgericht aus Kartoffeln, Rindfleisch und roter Bete. Serviert wird das Kartoffel-Rinder-Mus mit Matjes, Gewürzgurken und Spiegelei. Auch beliebt ist der Steckrübeneintopf. 

In diesem ist alles, was an kalten Tagen glücklich macht: Steck- und Mohrrüben, Kartoffeln - und wahlweise auch geräuchertes Fleisch oder Wurst. Auf dem norddeutschen Weihnachtsteller darf natürlich der Fisch nicht fehlen. Zur Auswahl stehen als Gericht Scholle mit Speckbohnen, Brathering mit Bratkartoffeln, Hamburger Pannfisch oder Backfisch mit Kartoffelsalat. Na dann: Guten Appetit! Lukas Pitule


Historisch gecheckt: Die Weihnachts-Geschichte

Weihnachten ist ein Fest mit vielen Wurzeln.

Schon in der Antike ist den Ägyptern und anderen S Hochkulturen der 21. Dezember dringender Anlass zum Feiern. Weil mit der Sonnwende die Tage wieder länger und heller werden, würdigt man in Europa diverse Sonnengottheiten. Um 500 vor Christus machen die Römer den 25. Dezember zum Feiertag des unbesiegbaren Sol, während die Germanen, Balten und Skandinavier anfangen, Jul zu huldigen. Länder wie Schweden, Norwegen und Dänemark nennen Weihnachten heute immer noch Jul, Island Jól, Finnland Joulu, Estland Joulud. Und auch in Deutschland gibt's in friesischen Dialekten Relikte: Auf Sylt findet man zum Beispiel Jül oder Jööl. Schon vor dem Start des Christentums gibt es Feierlichkeiten rund um leiblichen Genuss und Deko: Beim rituellen Jultrinken wird ordentlich gebechert und dass seit dieser Zeit Häuser mit immergrünen Zweigen aus Tanne, Fichte und Kiefer geschmückt werden, gilt als vorchristlicher Brauch.

Die Geburt Christi

Historiker sind sich sicher: Die ersten Christen haben Weihnachten nicht gefeiert. Nach geschichtlichen Recherchen  gibt es erst ab dem vierten Jahrhundert Belege dafür, dass die Geburt Jesu mit einem eigenen Feiertag bedacht wird. Zwar hatten schon vorher Gelehrte versucht, dessen exaktes Geburtsdatum zu ermitteln - aber ohne Erfolg, weil es in der Bibel dazu keine echten Belege gibt. Weil dieser frühen Kirche heidnische Feste ohnehin ein Dorn im Auge sind, werden Sonnwendfeste verboten - und wegen Zuwiderhandlungen das heidnische Event einfach umgewidmet. Und statt der Wintersonnwendfeier am 25. Dezember der Geburtstag von Jesus gesetzt. Dessen echter Geburtstag könnte etwas früher liegen: Es kursieren Interpretationen von Bibelpassagen, die auf ein Geburtsdatum im Herbst hinweisen. Als Indiz dafür gilt die Volkszählung. Solche Erhebungen werden traditionellerweise in der Zeit nach der Ernte, also im September oder Oktober, durchgezogen. Was aber trotz falscher Jahreszeit als christliche Tradition verankert wird: Das Feiern der Geschichte von Jesu Geburt, das Zelebrieren der Familie als Institution und das konkrete Würdigen und Erinnern an daran geknüpfte Liebe, Hilfsbereitschaft und gelebte Barmherzigkeit.

Magic Mittelalter

Im Mittelalter läuft das christliche Weihnachtsfest erst mal unchristlich aus dem Ruder. Die besten Geschichten stammen da aus England: Mit Schauspiel, wilden Gelagen und Festzügen feiert man die Geburt Jesu zwölf lange Tage. Musik, Geschenke und festliche Dekoration werden Pflicht. Die extravagantesten Feten gibt's logischerweise bei Hofe: Den Gästen des englischen Königs Heinrich III. werden anlässlich eines Weihnachtsfestes im 13. Jahrhundert angeblich 600 Ochsen serviert. Universitäten krönen jährlich einen Weihnachtskönig, der während der Festtage über seine Mitstudenten herrscht. Hymnen und Lieder sind Teil jeder noch so bescheidenen Festivität. Dieser weihnachtliche Hype hat Folgen: Radikal-calvinistische Puritaner Englands verbieten das Fest im Jahr 1644 und lösen auch dadurch religiöse Unruhen aus, die schließlich im Ausbruch der entscheidenden Kriegsphase des zweiten Englischen Bürgerkriegs gipfeln. Was aus dieser Zeit trotzdem bleibt: Kulinarische Opulenz, mit dem Hang zum Exzess.

Weihnachtlicher Neuzeit-Mix

Winterfeste mit christlichen Ritualen zu mixen und umgekehrt ist laut Historikern wohl auch ein sehr deutscher Ansatz - allerdings erst in der Neuzeit. Gerade das Lieblingssymbol des modernen Weihnachtsfests hat laut Historikern einen deutschen Ursprung. Der Weihnachtsbaum als Weiterentwicklung des Tannenzweig-Themas etabliert sich als geschmücktes Komplettexemplar im 19. Jahrhundert. Als dann die englische Königsfamilie mit deutschen Wurzeln ihren eigenen Weihnachtsbaum aufstellt, ist das der Startschuss zu einem weltweiten Trend, der sich bis heute gehalten hat. Auch Adventskränze, Nussknacker, Räuchermännchen, Weihnachtsmärkte und andere sinnlich-dekorative Stimmungsmacher werden größtenteils in Deutschland erfunden.

Export in die USA und wieder zurück

Wie im mittelalterlichen England aber viel später - organisieren Puritaner zum Deeskalieren von Exzessen auch auf der anderen Seite des Atlantiks ein Weihnachts-Verbot. Es tritt 1659 in Kraft und wird erst im Jahr 1681 wieder abgeschafft. Als Reaktion aufs Bürgerkriegsende und mit Rückbesinnung auf Herzerwärmendes und Familiäres erklärt der Kongress erst 1870 Weihnachten zum ersten nationalen Feiertag der USA. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bringen dann die Immigranten der großen Einwanderungswelle eigene mit über Weihnachtstraditionen den großen Teich. Dort entsteht eine Art Ritual-Schmelztiegel, in dem sich Einflüsse unterschiedlicher Kulturen zu einheitlichen Feierlichkeiten vermischen. Klar kommt von dort auch was zurück: Die Amerikaner erfinden immerhin den Weihnachtsmann, der nicht mal heidnisch ist. Sondern einfach nur eine Werbefigur für süße Limo.

Feierlichkeit: Wohin?

Heute und morgen? Bewegt sich Weihnachten weiter irgendwo zwischen Purismus und Exzess. Verbote werden allerdings durch Krisen ersetzt. Dass sich das Fest der Feste wieder mal weltlich und dabei kommerziell und konsummäßig weiter hochschaukelt - diese Phase kann momentan weder der kurze Corona-Break noch die Energiekrise ausbremsen. Neben allem Geglitzer und atemloser Feierlichkeit hat Weihnachten immerhin einen Vorteil: Der wilde Mix aus heidnischen, religiösen und Lifestyle-Traditionen ist in seinen individuellen Varianten inzwischen sowas wie ein Fest für alle, das trotzdem ganz individuell nach persönlichem Gusto gefeiert werden kann. Entwicklung offen: Die Weihnachts-Geschichte ist und bleibt eine unendliche Geschichte. Annette Gropp