Kaum ist der erste Advent da, schon erklingen sie überall. Im Radio, im Fernsehen, als Ohrwurm: Weihnachtslieder. Allen voran Mariah Careys „All I Want For Christmas Is You“, gefolgt von „Do They Know It's Christmas“ von Band Aid. Und dann gibt es noch die Klassiker. Die Lieder, die man schon als Kind vorm Weihnachtsbaum geträllert hat, lautstark und rasch vorgesungen, um schnell an die Geschenke zu kommen. Lieder wie „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“, „Ihr Kinderlein kommet“ oder „Es ist ein Ros entsprungen“ sind für fast jeden mit Kindheitserinnerungen an die Vorweihnachtszeit geprägt. Aber kennen Sie die Geschichten hinter den Liedern?
Macht hoch die Tür, die Tor macht weit
Ein zauberhaftes Weihnachtslied, das im 17. Jahrhundert in Ostpreußen seinen Ursprung hat, ist Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. Es ist eines der ältesten Weihnachtslieder, das überkonfessionell gesungen wird. Der Text, verfasst von Georg Weissel im Jahr 1623 anlässlich der Einweihung der Altroßgärter Kirche in Königsberg, wurde zu einer Melodie kombiniert, die erstmals im Freylinghausen'schen Gesangbuch von 1704 auftauchte. Weissel ließ sich dabei von Psalm 24 inspirieren.
Eine herzerwärmende Legende verknüpft dieses Lied mit einem Herrn Sturgis, der angeblich einen Weg zur Kirche, der vom Armenhaus über sein Grundstück führte, versperrt haben soll. Durch das Singen von Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ soll Pfarrer Weissel ihn dazu bewegt haben, die verschlossene Pforte zu öffnen und die Gemeinschaft willkommen zu heißen. Dieses Lied, voller Symbolik und festlicher Freude, lädt uns ein, die Tore unseres Herzens weit zu öffnen und die Schönheit der Weihnachtszeit zu feiern.
Es ist ein Ros entsprungen
In den festlichen Klängen von „Es ist ein Ros entsprungen“ schwingt die Tradition eines kirchlichen Weihnachtsliedes aus dem 16. Jahrhundert mit. Der Text basiert auf Jesaja 11,1: „Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht.“ Mit „Ros“ ist also ursprünglich nicht die Blume, sondern ein Reisig gemeint. Die Melodie dieses Liedes wurde erstmals im Speyerer Gesangbuch - gedruckt in Köln 1599 - festgehalten, der Komponist ist nicht bekannt.
Vom Lied gibt es unterschiedliche Textversionen. Die Katholiken singen in der zweiten Strophe von der Heiligen Maria, der Mutter Gottes. Die Protestanten haben sich daran gestört und wollten eine andere Version. So hat Michael Praetorius, als er das Lied 1609 in eines seiner Gesangsbücher aufgenommen hat, diese Textstelle umgeändert.
Alle Jahre wieder
Jedes Jahr aufs Neue erklingt eines der wohl bekanntesten deutschen Weihnachtslieder: „Alle Jahre wieder“. Der Text dieses Stücks stammt aus der Feder von Wilhelm Hey und wurde erstmals 1837 veröffentlicht. Die am weitesten verbreitete Melodie wird Friedrich Silcher zugeschrieben, der sie in seinem Liederzyklus „Zwölf Kinderlieder“ aus dem Anhang des Speckter'schen Fabelbuches von 1842 präsentierte. Eine alternative Melodiefassung wurde von Ernst Anschütz kreiert. Im Jahr 1827 komponierte Christian Heinrich Rinck eine weitere Melodie, die heute vor allem in Verbindung mit Hoffmann von Fallerslebens Gedicht Abend wird es wieder“ verwendet wird.
Vom Himmel hoch, da komm' ich her
Martin Luther schuf eine Fülle von Liedern zu verschiedenen christlichen Festen - insgesamt über dreißig an der Zahl. Ein besonders bekanntes Weihnachtslied, so besagt die Legende, dichtete er im Jahr 1533 oder 1534 für die Weihnachtsbescherung seiner eigenen Kinder. Ursprünglich setzte er den aus 15 Strophen bestehenden Text als geistliche Kontrafaktur zu dem Spielmannslied „Ich kumm auß fremden landen her und bring euch vil der newen mär“. Sie erschien erstmals im Wittenberger Klugschen Gesangbuch von 1535. Später vervollkommnete Luther das Lied, indem er 1539 die Choralmelodie komponierte, die seitdem die Grundlage für die musikalische Interpretation des Liedes bildet.
Die künstlerische Vielseitigkeit von Luthers Werk zeigt sich auch in der Verwendung der Melodie durch Johann Sebastian Bach. In seinem Weihnachtsoratorium finden sich drei Choräle, darunter „Ach, mein herzliebes Jesulein“, „Schaut hin, dort liegt im finstern Stall“, und „Wir singen dir in deinem Heer“. Bach nutzte die Choralmelodie auch als Basis für seine „Canonische Veränderungen über Vom Himmel hoch“, ein Orgelwerk aus dem Jahr 1748, das typisch für Bachs kontrapunktischen Spätstil ist.
Der Text des Liedes stellt einen Teil der Weihnachtsgeschichte (Lukas 2,8-18 Lut) in Form eines lebendigen Krippenspiels mit verteilten Rollen dar. Die ersten fünf Strophen richten sich an die Hirten und symbolisieren zugleich die Botschaft an alle Gläubigen. Die folgenden Strophen laden dazu ein, mit den Hirten zur Krippe zu gehen und dem neugeborenen Heiland in der Tradition des Kindelwiegens zu huldigen. Eine zeitlose Erzählung, die jedes Jahr aufs Neue die Magie der Weihnachtszeit einfängt und Familien zu Herzen geht.
Ihr Kinderlein kommet
Christoph von Schmid, ein katholischer Pfarrer und geistlicher Schriftsteller mit einer tiefen Hingabe für Kinder und deren Erziehung, hinterließ ein beeindruckendes Vermächtnis von rund 50 kleinen Erzählungen. Diese Geschichten, geschrieben in einer für Kinder verständlichen Sprache, hatten nicht nur pädagogische Ziele, sondern zeigten auch, wie das Gute durch Gott triumphiert.
Ein besonders bemerkenswertes Werk von Schmid ist sein ursprünglich achtstrophiges Weihnachtsgedicht „Die Kinder bey der Krippe“. Über die genaue Entstehungszeit dieses berührenden Gedichtes gibt es verschiedene Überlieferungen. Gemäß einer verschollenen Chronik soll Schmid das Gedicht bereits vor 1795 während seiner Zeit als Kaplan in Nassenbeuren, einem heutigen Ortsteil von Mindelheim, in der barocken Kapelle Maria Schnee verfasst haben. Allerdings fehlen dafür Belege in den schriftlichen Aufzeichnungen von Schmid. Eine von Ursula Creutz erwähnte, auf 1794 datierte Autographie mit der Variante „lhr Kinderchen kommet“ ist nicht auffindbar und wurde von der Forschung zurückgewiesen. Das Evangelische Gesangbuch, das katholische Gotteslob und Ulrich Parent geben 1798 als Jahr der Textentstehung an, ohne dabei jedoch konkrete Quellen zu nennen.
Das einzige nachweisbare Autograph, das in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg aufbewahrt wird, dürfte die Urschrift des Gedichts sein, wie zahlreiche Korrekturen, Streichungen und Änderungen nahelegen. Eine Wasserzeichenuntersuchung ergab, dass die Handschrift keinesfalls vor 1803 und wahrscheinlich um 1808/10 in Thannhausen entstand. Diese Datierung scheint auch deshalb plausibel, weil der Text erstmals 1811 in der von Schmid anonym herausgegebenen zweiten Auflage von „Christliche Gesänge zur öffentlichen Gottesverehrung“ in Augsburg veröffentlicht wurde, jedoch noch nicht in der ersten Auflage von 1807. Erst 1818 wurde das Gedicht erstmals mit Namensnennung des Autors in Schmids Sammlung „Blüthen, dem blühenden Alter gewidmet“ aufgenommen. Lukas Pitule