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Wenn's zum Leben nicht reicht

Oft lohnt es sich finanziell nicht mehr, nur als Landwirt zu arbeiten. Viele haben einen zusätzlichen Nebenverdienst, um den Hof zu halten und die Familie zu ernähren. Möglichkeiten gibt es, mehr aus der Landwirtschaft herauszuholen. Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hilft dabei, neue Wege zu finden.

Wenn's zum Leben nicht reicht

Foto: Adobe Stock

29.03.2022

Finn, 3 Jahre, schiebt eine Schubkarre voll mit Tiernahrung zu den Kühen. Sie recken ihre Hälse und fressen dankbar das Futter, das der Kleine ihnen vorlegt. Anschließend läuft Finn los und schaut nach den Hühnern, ob es ihnen gut geht, dann geht es weiter zu den Ziegen. Nein, der dreijährige Finn ist nicht der jüngste Landwirt Frankens, sondern einer der vielen Besucher von Clemens Schmitts Erlebnisbauernhof in Bräuningshof bei Erlangen.          

Weitere Standbeine der Landwirtschaft

Landwirt Clemens Schmitt ist mit seinem Erlebnisbauernhof ein Paradebeispiel für Erwerbskombinationen in der Landwirtschaft. Noch bis vor fünf Jahren führte er mit seiner Familie einen Milchbetrieb, hatte 60 Kühe in seinem Stall. Eher nebenbei führten sie einen kleinen Hofladen mit regionalen Produkten oder hatten sporadisch Besucher auf dem Bauernhof. „Meine Eltern haben schon damit angefangen, ihre Produkte auf dem Hof zu verkaufen“, so der Landwirt. Doch vor fünf Jahren hat sich Clemens Schmitt mit seiner Frau Nicole die Zahlen angeschaut: Sie mussten feststellen, dass der Milchbetrieb sich allein nicht mehr lohnen würde. „Wir mussten uns entscheiden – und so kam der Gedanke, dass wir den Erlebniswert unseres Bauernhofes ausbauen“, erklärt Clemens Schmitt. Gemeinsam mit seiner Frau hat er sich an das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gewandt und eine Fortbildung erhalten.

„Diese Fortbildung hat 20 Werktage gedauert – und wir haben dabei alles beigebracht bekommen, was man wissen muss, einen Erlebnisbauernhof zu führen“, erklärt Clemens Schmitt. Dann fing der Umbau an – über ein Jahr hat es gedauert. Doch das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Kostenlos kann jeder seinen Bauernhof besuchen, Tiere wie Ziegen, Hühner, Schweine und Kühe streicheln und füttern oder im Hofladen regionale Produkte einkaufen. Seine Frau bietet therapeutische Reitstunden an. Der Bauernhof selbst ist geschmückt mit kreativen Bildern und Botschaften, die auf die Arbeit und die gesellschaftliche Wichtigkeit der Landwirte hinweisen und eine Kommunikation zwischen Landwirten und Endverbrauchern erleichtern sollen.

Erwerbskombinationen

Diversifizierung in landwirtschaftlichen Betrieben gibt es zwar schon seit dem 19. Jahrhundert, als sich Bäuerinnen und Bauern mit sogenanntem „Eiergeld“ sich noch etwas dazuverdient haben. Doch die Landwirtschaft hat sich verändert. Das weiß auch Hermann Greif vom Bauernverband: „Es ist selten der Fall, dass man noch einen Stall voll mit Hühnern, Schweinen und Kühnen hat. Die Landwirtschaft konzentriert sich. Die Betriebe arbeiten zum größten Teil im Nebenerwerb. Und wenn sie doch Vollzeit arbeiten, dann brauchen sie mehrere Standbeine wie Energieproduktion, Photovoltaik oder irgendwas anderes.“

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Neben Ziegen kann man auf Clemens Schmitts Bauernhof auch Hühner, Schweine, Schafe und Kühe hautnah erleben. Foto: Lukas Pitule

Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) unterstützt Landwirte, die sich für eine Erwerbskombination entschieden haben, mit umfangreichen Beratungen, Bildung und Förderungen. Martin Hecht, stellvertretender Pressesprecher des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, erklärt: „Die virtuelle Akademie für Diversifizierung bündelt das vielfältige bayernweite Angebot der Qualifizierungsmaßnahmen. Wer seine bestehende Einkommenskombination weiterentwickeln möchte, kann an Aufbauseminaren, Informationsveranstaltungen, Fachtagungen etc. teilnehmen. Neueinsteiger erhalten Orientierungs- und Entscheidungshilfe sowie Grundlagenkenntnisse. Die Qualifizierungsmaßnahmen werden von den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durchgeführt. Sie erteilen nähere Auskünfte, auch zu anderen Bildungs-, Beratungs- und Qualifizierungsangeboten sowie zur Förderung.“

Entscheidung nicht bereut

Der Landwirt ist am Ende frei, für welches Standbein er sich entscheidet. Bei der Beratung wird eine ausführliche Markt- und Konkurrenzanalyse empfohlen. Der Betrieb kann dann als Unternehmer/-in eigenständig entscheiden, was für ihn/sie passt.

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In Hofläden kommen regionale Landwirtschaftsprodukte direkt vom Bauernhof an den Verbraucher. Foto: Lukas Pitule

Clemens Schmitt ist mit der Entscheidung, aus seinem Bauernhof einen Erlebnisbauernhof zu machen, glücklich. „Natürlich sage ich immer, dass das hier, was die Gäste erleben, eine verschönerte Form der Landwirtschaft ist. Aber es ist schön zu sehen, dass sich die Menschen immer mehr mit dem Thema Landwirtschaft auseinandersetzen.“ Dann fügt er noch mit einem Lächeln hinzu: „Das Schönste war, als eine Mutter zu mir gekommen ist und gesagt hat, ihr Sohn hätte nach dem letzten Besuch zu Hause im Sandkasten Bauer Clemens Schmitt gespielt. Da geht mir das Herz auf.“ Und der kleine Finn? Der ist müde nach einem ganzen Tag auf dem Bauernhof, freut sich aber schon aufs nächste Mal. Lukas Pitule

Voraussetzungen für Diversifizierungsförderung:

• Mindestens 25 Prozent der Umsatzerlöse aus Bodenbewirtschaftung bzw. bodengebundener Tierhaltung.
• Positive Einkünfte im Einkommensteuerbescheid von max. 140.000 Euro bei Ledigen und 170.000 Euro bei Verheirateten.
• Berufliche Qualifikation, die dem überwiegenden Investitionsziel angemessen ist.
• Nachweis der Zweckmäßigkeit bzw. Wirtschaftlichkeit der Maßnahme.
• Zuwendungsfähiges Investitionsvolumen von mindestens 10.000 Euro bis maximal 800.000 Euro.

Landwirtschaft erleben

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Mit Urlaub auf dem Bauernhof oder Erlebnisbauernhöfen machen Landwirte ihre Landwirtschaft erlebbar. Entweder haben sie Touristen bei sich auf dem Hof oder haben Schulklassen oder Veranstaltungen bei sich. So verdient der Landwirt nicht nur was dazu, sondern schafft auch eine Kommunikation zwischen Landwirtschaft und dem Endverbraucher.

Landwirtschaftliche Betriebszweige

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Landwirte können ihre Ausstattung – z.B. Know-how oder Maschinen – für andere Landwirte, Unternehmen oder Kommunen einsetzen. Zu den Arbeiten zählen unter anderem regenerative Energiebereitstellung (z.B. Biogas- oder Photovoltaikanlagen), Dienstleistungen für Gewerbe- und Privatkunden sowie die öffentliche Hand, Pensionspferdehaltung.

Direktvermarktung

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Kurze Transportwege, direkter Kontakt zum Erzeuger, die Frische der Produkte, Regionalität und Saisonalität: Immer mehr Landwirte bieten entweder ihre eigenen Produkte oder Produkte von benachbarten Landwirten an – nicht nur in Hofläden, sondern auch in eigener Gastronomie, auf Märkten oder mit sogenannten Bauernhof-Automaten.

Soziale Landwirtschaft

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Landwirtschaftliche Betriebe richten sich mit ihren Angebotsformen an Menschen mit besonderen (körperlichen, geistigen, sozialen und psychologischen) Bedürfnissen und gliedern sie nach individuellen Möglichkeiten in den Hofalltag und ins Arbeitsgeschehen mit ein. Das können Angebote sein wie Mitarbeit auf dem Hof, Betreuungsleistungen, (erlebnis-)pädagogische Dienstleistungen, hauswirtschaftliche Versorgung, Verpflegung oder Wohnangebote.

Hauswirtschaftliche Dienstleistungen

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Viele Landwirte haben eine abgeschlossene Ausbildung in Hauswirtschaft und bieten ihre hauswirtschaftlichen Dienste an. Vor allem nehmen Familien mit zwei in Vollzeit arbeitenden Eltern, Single-Haushalte, ältere Menschen mit dem Wunsch, in den eigenen Wänden wohnen zu bleiben, diese Dienste gerne an. Dazu gehört: Service rund ums Haus, Hausgarten- und Blumenpflege, Veranstaltungsservice, Alltagsbegleitung für Senioren, Familienhilfe und vieles mehr.