Heinrich Binder bezeichnete die „Gaststätte zur Spinnstube“ im Mainleuser Ortsteil Hornschuchhausen in seiner Reisebeschreibung von 1923 als „das schönste und stilechteste Wirtshaus Bayerns“. Fritz Hornschuch (1874 – 1955), der Direktor der Kulmbacher Spinnerei, hatte sie damals als Begegnungsstätte für Werksangehörige, Siedlungsbewohner/innen und „Ausflügler“ errichten lassen. Über die Jahre hinweg kamen viele Gäste in das Wirtshaus. Die Pächter wechselten. 2004 wurde der Betrieb eingestellt.Wiedereröffnung unter dem ursprünglichen NamenIn diesem Jahr eröffnet die Gaststätte wieder unter ihrem ursprünglichen Namen. Und nicht nur das. Auch heute wird sie erneut zur Begegnungsstätte. Denn die „Spinnstube“ ist nicht nur ein echtes, fränkisches Wirtshaus mit Tradition.
Sie ist vor allem eines: Ein Inklusionsbetrieb. Heißt: Hier arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam unter einem Dach. Daher auch das Motto: „Spinnstube – bringt zusammen“. Am Donnerstag, 15. Juli,wird sie als 100. Inklusionsbetrieb in Bayern feierlich eröffnet.
Barrierefrei und großzügig geplant
Vor rund drei Jahren begannen die Sanierungsarbeiten des gesamten Gebäudekomplexes in Hornschuchhausen. Dabei wurde vor allem darauf geachtet, sowohl die Wohnungen als auch die Gaststätte barrierefrei zu sanieren. So wurden die Arbeitsplätze in den Bereichen Küche, Theke und Service von baulicher Seite so gestaltet, dass Menschen mit Gehbehinderung und Bewegungseinschränkung dort eingesetzt werden können. Die Verkehrsflächen wurden entsprechend großzügig, Zu- und Durchgänge barrierefrei und ohne Stufen gestaltet. Zudem wurde ein Personenaufzug eingebaut, der uneingeschränkten Zugang zum Obergeschoss und den dort liegenden Tagungs- sowie Personalräumen bietet. Auf allen Etagen sind behindertengerechte Toiletten eingebaut.
Neben den baulichen Maßnahmen an der Gaststätte wurde zeitgleich auch das Inklusionsprojekt „Spinnstube“ geplant und umgesetzt. Träger des Projektes ist die MAWO Inklusion und Nachhaltigkeit gGmbH. Deren Gesellschafter der AWO Kreisverband Kulmbach und die Marktgemeinde Mainleus sind. Ziel des Projektes ist die Bewirtschaftung der Gaststätte „Spinnstube“ durch ein Team aus Mitarbeiter/ innen mit und ohne Behinderung. Hier bekommen Menschen eine Chance, die sonst auf dem ersten Arbeitsmarkt eher schwer Fuß fassen würden.
Gefördert wird das Projekt unter anderen von Aktion Mensch und vom Inklusionsamt des Zentrum Bayern Familie und Soziales (kurz ZBFS) in Bayreuth. Die dauerhafte Begleitung und Betreuung der Mitarbeiter/innen mit Behinderung wird pädagogisch durch den Projektleiter sowie fachlich durch die Küchenleitung und die Restaurantleitung gewährleistet.
Matthias Thurn, der Projektleiter der „Spinnstube“, war von Beginn an bei der Entwicklung des Projektes dabei: „Dieses Projekt liegt mir am Herzen. Seit den ersten Gesprächen sind fast neun Jahren vergangen. Jetzt ist es endlich soweit, die Umbauarbeiten sind fast abgeschlossen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen bereit, wir freuen uns alle auf die Eröffnung.“
Kulinarisch verfolgt die „Spinnstube“ eine klare Linie: Qualität und Nachhaltigkeit stehen an erste Stelle. Außerdem legt Küchenleitung Marc Wallner Wert auf eine einfach gehaltene Küche, die sich jeder leisten kann. Einfach, aber dennoch qualitativ hochwertig. So wird beispielsweise komplett auf Fertigsaucen und Zusatzstoffe verzichtet. „Wir werden auch mit Metzgern aus der Region zusammenarbeiten, von denen wir wissen, woher diese ihr Fleisch beziehen. Außerdem legen wir sehr viel Wert auf artgerechte und regionale Haltung.“, so Marc Wallner.
So ein großes Projekt gelingt natürlich nur mit Unterstützung. Neben Aktion Mensch, dem Bezirk Oberfranken und der Agentur für Arbeit bedanken sich die Verantwortlichen der „Spinnstube“ auch herzlich beim Inklusionsamt des ZBFS in Bayreuth für die Hilfe und Unterstützung in jeglicher Hinsicht.
Am Donnerstag, 15. Juli, wird die „Spinnstube“ als 100. Inklusionsbetrieb in Bayern mit geladenen Gästen im kleinen Kreise feierlich eröffnet.An dem Festakt wird unter anderen auch Carolina Trautner, Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, teilnehmen. Das Team der „Spinnstube“ bittet alle Interessierten darum, an diesem Tag von einem Besuch abzusehen. Allzu lange müssen sie nicht warten, diesen nachzuholen, denn bereits ab Freitag, 16. Juli, eröffnet die „Spinnstube“ regulär für alle Gäste. Aufgrund der Pandemie allerdings noch mit eingeschränktem Betrieb und unter Einhaltung sämtlicher Hygienemaßnahmen. Das Spinnstuben-Team, freut sich schon sehr auf seine Gäste, bittet aber höflich, trotz der verständlichen Neugierde und des großen Interesses, große Menschenansammlungen vor der Gaststätte und dem Biergarten zu vermeiden. red