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Gemeinsam statt einsam

Ältere Menschen, die sozial isoliert, verwitwet oder gesundheitlich eingeschränkt sind, leiden häufig unter Einsamkeit

Gemeinsam statt einsam

FOTO: PRESSMASTER-STOCK.ADOBE.COM

31.01.2023

Einsamkeit ist schwer. Und Einsamkeit ist schwer zu messen. Die Psychologie beschreibt den Zustand sehr trocken als Kluft zwischen gewünschten und tatsächlich vorhandenen sozialen Beziehungen. Weil jedem aber andere Wichtigkeiten wegbrechen und objektive Restsozialkontakte da sind, gilt das individuelle Gefühl nicht als soziale Isolation. Dass das nicht besser ist, haben Forschung und Institutionen trotzdem verstanden: Wegen unterschiedlicher Wahrnehmung gilt Einsamkeit als vielschichtig, genauso quälend und brisant.

Mit fortschreitendem Alter passiert viel, was Zustände von Einsamkeit auslöst, vorantreibt und was in der Menge zur Komplett-Isolation eskalieren kann. Und: Einsamkeit macht krank. Es hilft herauszufinden, was die persönlichen Auslöser für Einsamkeitsgefühle sind - und was sie in welchem Fall wie lindern kann.

Ursachen: Warum und wodurch?

Wer älter wird, kommt in den Genuss vieler Einsamkeits-Risikofaktoren. Mehr verlieren als zu gewinnen ist die natürliche Crux eines langen Lebens: Es beginnt schleichend mit dem Ausziehen der Kinder oder mit dem Sterben der Eltern, mit abwesenden Enkeln und/oder mit schwindenden körperlichen Kräften, die Lieblingsbeschäftigungen Lieblingsmenschen mit plötzlich schwierig machen. Der Verlust des Partners und wichtiger Freunde, radikale physische Einschränkungen oder psychische Belastungen kommen im fortgeschrittenen Alter noch dazu.

Ob Einzel-Faktoren oder alles zusammen: Laut Experten ist es sinnvoll, früh Pläne zu schmieden oder zumindest offen für Pläne zu sein. Das Instrumentarium gegen Alterseinsamkeit ist inzwischen genauso groß wie der Bedarf. Genau hinschauen tut demnach gut: Es geht weder bei Kontakten noch bei Tätigkeiten mit Kontakten um Häufigkeit und pure Leere-Füllung. Sondern eher um individuelle Qualität und persönliche Bedürfnisse, die wohltuende Aufgehobenheit und Zufriedenheit zur Schmerzlinderung offerieren. Aber auch wenn die goldene Wahrheit wieder irgendwo zwischen wildem Aktivismus und Resignation liegt: Irgendwas zu unternehmen ist immer besser als gar nichts zu tun.

Schaffen, machen, tun: Was hilft bei was?

Früh antrainierte Resilienz ist gut. Hilfreich eine buchstäbliche und nachhaltige Neugier. Wer sein Leben lang lernt und offen ist für neue Menschen, neues Wissen und neue Tätigkeiten, kann sich radikaler umstellen und fällt nachgewiesenermaßen in nicht ganz so tiefe Löcher. Weil der Horizont weiter, die Flexibilität größer, das Handlungs-Repertoire vielfältiger und jeder Wechsel leichter ist - und es für unterschiedlichste Verluste oder Einschränkungen Instrumente gibt.

Aber Lernen geht auch spät und spontan. Zum Beispiel Alleinsein wieder neu anzugehen und schlechte Gefühle über Inhalte zu vertreiben - je nach körperlichen und wohnlichen Voraussetzungen. Selbsthilfe-Profis raten dazu, sich selbst neue Strukturen und klare Tagesabläufe zu schaffen: Erfüllt mit Dingen, die allen Sinnen Freude machen. Mit möglichst schöner Umgebung, leckeren Mahlzeiten, genüsslicher Körperpflege und Selbst-Unterhaltung drinnen wie draußen. Je nach Vorliebe und gesundheitlichen Möglichkeiten alles rund um Radio hören oder Bücher lesen, Filme schauen oder spazieren gehen. Und: Lachen wieder lernen. Wie frische Luft und Bewegung wirkt Lachen laut Medizinern Wunder und ist - nicht immer, aber oft - leichter als befürchtet. Das Lachen wiederzufinden, funktioniert zuhause ganz gut über vertrautes mediales Entertainment, am allerbesten aber zuhause und draußen über Kontakte.

Netzwerken: in jeder Beziehung

Alleinsein unterbrechen und Kontakte pflegen ist nicht nur fürs Lachen gut. Entweder alte Hobbys vertiefen oder Neue suchen: Mit anderen sporteln, reisen, karten, kochen, basteln oder zwecks Lernens oder Spaß haben irgendwelche Kurse besuchen, es findet sich viel Bereicherndes für viele Interessen, unterschiedliche Geldbeutel und verschiedene physische Voraussetzungen. In Vereinen, Volkshochschulen, Mehrgenerationenhäusern, Seniorenbegegnungsstätten oder kirchlichen und sozialen Einrichtungen. Für buchstäblich ältere Semester bieten diverse Universitäten sogar Studienmöglichkeiten. Erfüllend sind auch Ehrenämter, die neben sinnstiftenden Tätigkeiten Chancen auf tiefe Bekanntschaften oder sogar Freundschaften offerieren.

Ordentlich netzwerken ist ohnehin ein prima Plan: Wo die körperliche Gesundheit nicht mitmacht, hilft Offenheit und Lernbereitschaft für Digitales. Soziale Medien helfen beim Verabreden und beim Unterhalten schriftlich oder per Video, das Internet liefert ebenfalls Videochat-Optionen, viele Infos und bietet spezielle Anlaufstellen im digitalen Universum: Auf nebenan.de oder nextdoor.de finden sich sogar eventuell unmittelbare gleichgesinnte Nachbarn. Kenner der Szene empfehlen feierabend.de oder seniorentreff.de als Plattformen, die quasi als Stammtische fungieren können.

Das Deutsche Rote Kreuz bietet direkten Besuch, Malteser wiederum Telefonbesuch: Hier werden einsame ältere Menschen zusammengebracht und bekommen regelmäßig Besuch per Telefon. Die Teams telefonieren in der Regel einmal pro Woche für eine Stunde. Ziel des Telefonbesuchs ist es, dass feste Partnerschaften entstehen, die sich gegenseitig langfristig begleiten.

Notfall: Etwas geht immer

Einen lebenswerten Zustand zu erreichen, der eine ähnliche Qualität hat wie das, was weggebrochen ist: Ist immer ein ehrgeiziges Ziel. Und fühlt sich bisweilen schwierig bis unmöglich an. Gerade der Verlust von Lebenspartnern oder allerengsten Liebsten ist brachial und dieser Zustand nachhaltiger Einsamkeit nicht mal schnell heilbar. Bei bedrohlichen Zuständen gibt es professionelle Notfall-Anlaufstellen: An erster Stelle steht die Telefonseelsorge, die für den Umgang mit individuellen Katastrophen ausgebildet ist. Die leistet im einsamsten Fall neben Krisenintervention und Trauerbewältigung auch Horizont-Eröffnung. Für vorsichtige neue Wege in ein weniger einsames Leben. Annette Gropp

Einsamkeit - wohin mit Problemen?

Einsamkeit macht krank. Aber: Soziale Kontakte halten gesund und verlängern das Leben. Ein paar Anlaufstellen für Soforthilfe:

• Für jede Lebensphase kostenlos und anonym: Telefon Seelsorge Deutschland e.V., rund um die Uhr erreichbar unter 0800/1110111, 1110222 oder 116123 oder per Mail und Chat unter online.telefonseelsorge.de

• Für ältere einsame Menschen ab 60: Silbernetz. Erreichbar von 8 bis 22 Uhr deutschlandweit unter 0800/4708090 oder unter www.silbernetz.org

• Für einsame und körperlich eingeschränkte Menschen: Malteser Telefonbesuch. Unter www.malteser.de

• Für alte und pflegebedürftige Menschen: DRK-Besuchsdienst gegen die Einsamkeit. Ort mit Postleitzahl unter www.drk.de herausfinden.