Ein Pflegefall tritt häufig unerwartet ein: Ein Unfall, eine Krankheit, ein Sturz – und plötzlich steht fest, dass der Betroffene seinen Alltag nicht mehr allein bewältigen kann. Pflegebedürftigkeit kann aber auch ein schleichender Prozess sein: Der Alltag wird beschwerlicher, die Bewegungsfähigkeit lässt nach, die zeitliche und räumliche Orientierung ist eingeschränkt, Wohnung und Kleidung wirken zunehmend ungepflegt, der Betroffene verhält sich anders als gewohnt. All das können Anzeichen sein, dass die Eltern oder der Partner Hilfe benötigen.Angehörigen fällt es oft schwer, sich das einzugestehen. So geht wertvolle Zeit verloren. Daher ist es wichtig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich bei Bedarf Rat zu holen, zum Beispiel vom Hausarzt oder einem Pflegeberater.
Der erste Schritt: Pflegekasse anrufen
Wird jemand pflegebedürftig, sollten die Angehörigen als Erstes bei der Pflegekasse anrufen. Dort stellt man telefonisch einen Antrag auf Pflegebedürftigkeit. Die Formulare für den schriftlichen Antrag werden zugeschickt. Sind die ausgefüllten Formulare bei der Kasse eingegangen, meldet sich der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK), um die Situation zu begutachten. Der MDK schaut, wie selbstständig jemand noch agieren kann. Der Gutachter schaut also beispielsweise, wie weit sich der potenziell Pflegebedürftige noch herunterbeugen kann, wie gut seine Motorik noch funktioniert und ob eine Demenzerkrankung vorliegt. Dabei ist es wichtig, nichts zu beschönigen. Denn auf der Grundlage des Gutachtens legt der MDK den sogenannten Pflegegrad fest.
Rahmenbedingungen klären
Sinnvoll ist dann, zu prüfen, ob eine Pflege zu Hause möglich ist: Ist die Wohnung barrierefrei? Wenn nicht – lässt sie sich entsprechend anpassen? Und natürlich: Wer könnte die Pflege zu Hause übernehmen? In einer Krisensituation kann man eine Kurzzeitpflege in einem Pflegeheimnutzen, um solche Dinge zu klären. Dort wird der Pflegebedürftige für eine bestimmte Zeit – maximal 56 Tage binnen eines Jahres – untergebracht. Danach können beide Seiten schauen, wie es weitergeht.
Beratungsstellen helfen
In jedem Fall sollte sich beraten lassen, wer plötzlich mit Pflegebedürftigkeit konfrontiert ist. Die Pflegekassen bieten selbst Beratung an oder können Stellen vermitteln, die das tun.
Das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) listet kostenlose und unabhängige Beratungsstellen auf. Unter der Nummer 030/20179131 erreichen Angehörige von Montag bis Donnerstag jeweils zwischen 9 und 18 Uhr zudem das Pflegetelefon des Bundesfamilienministeriums.
Auch die Unabhängige Patientenberatung Deutschland berät betroffene Patienten sowie Angehörige zu diesen Themen.
Wenn es um die Anpassung der Wohnung geht, hilft die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung weiter, ein Zusammenschluss von Wohnberatern. Solche spezialisierten Berater kommen nach Hause und schauen gemeinsam mit den Betroffenen, welche Umbauten möglich sind – und wie sie am besten umgesetzt werden. Es gibt kostenlose und kommerzielle Angebote. Ein Preisvergleich lohnt sich.
Option Pflegeheim
Entscheidet sich jemand, ins Pflegeheim zu ziehen oder ist eine Pflege zu Hause nicht möglich, sollte das Heim sorgfältig ausgewählt werden. Das Wichtigste ist, sich selbst ein Bild zu machen. Nur aufgrund der Informationen auf der Internetseite etwa sollte niemand ein Pflegeheim auswählen. Stattdessen macht man am besten einen Termin mit der Heimleitung aus und lässt sich herumführen. Die Leitung kann man etwa fragen, wie sie mit Beschwerden umgeht. Beim Rundgang unbedingt auch Bewohner ansprechen und möglichst auch einmal mit den anderen essen. Sinnvoll ist außerdem, noch mal ohne Termin wiederzukommen. Kommt ein Heim infrage, lohnt sich zudem ein Probewohnen, um einschätzen zu können, ob das Heim den individuellen Vorstellungen entspricht.
Die Tagespflege
Zudem besteht für Pflegebedürftige das Recht und die Möglichkeit, eine Tagespflege in Anspruch zu nehmen. Der Vorteil davon ist, dass die Patienten den Tag über professionell betreut werden, jedoch trotzdem nicht komplett das eigene Haus verlassen müssen. So fällt es den meisten Menschen schwer, ihren eigenen Rückzugsort zu verlassen, mit dem sie viele schöne Momente verbinden.
Dennoch sind Familienmitglieder nicht immer den physischen und psychischen Belastungen gewachsen und haben auch aufgrund der Berufstätigkeit nicht die nötige Zeit, den Patienten rund um die Uhr von zu Hause aus zu pflegen. Die Option der Tagespflege bietet demnach die optimale Zwischenlösung von ambulanter und stationärer Pflege. So werden die Angehörigen entlastet, da der Pflegebedürftige bereits am Morgen abgeholt wird. PR-Red/dpa-mag
Freistellen lassen
Wird ein nahes Familienmitglied pflegebedürftig, können Sie sich kurzfristig zehn Tage von der Arbeit freistellen lassen. Das Pflegezeitgesetz ermöglicht Arbeitnehmern diese Auszeit, um die Pflege eines Angehörigen zu organisieren. Da die Freistellung von der Arbeit in der Regel unbezahlt ist, haben Sie Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld. Das wird bei der Pflegekasse des Pflegebedürftigen beantragt.