Wahrscheinlich passiert es gerade wieder: Alle zwölf Sekunden kracht es auf deutschen Straßen - und das sind nur die statistisch erfassten Unfälle. Dazu kommen zahlreiche Zusammenstöße, bei denen sich die Unfallbeteiligten ohne Polizei geeinigt haben. Grund genug, um auf die Gefahren und Risiken hinzuweisen, die im Zusammenhang mit Autopannen oder im unmittelbaren Nachgang von Unfällen existieren. Denn die Gefahrensituation ist für Betroffene mit dem eigentlichen Ereignis noch nicht vorbei. Der übrige Verkehr fließt zunächst weiter und die Verkehrsteilnehmer müssen die gerade entstandene Lage erst begreifen und darauf reagieren. Besonnenheit und überlegtes Handeln sind daher für alle Beteiligten oberste Maxime. Das ist allerdings leichter gesagt als getan - insbesondere für jene Personen, die unmittelbar in das Unfallgeschehen verwickelt sind. Umso wichtiger sind deswegen Ersthelfer, die auch bei vermeintlich kleinen Unfällen zu Stelle sind.
Die Mobilitätsexperten von AvD und ADAC haben einige Tipps für Betroffene und Ersthelfer zusammengestellt, welche Maßnahmen nach einem Unfall zeitnah zu ergreifen sind:
Unfallstelle sichern
Als erstes heißt es: Zündung aus, Warnblinker an! Außerhalb von Ortschaften empfiehlt es sich für alle Mitfahrer, dringend eine Warnweste anzulegen, um die eigene Sichtbarkeit zu verbessern. Anschließend ist die Pannen- oder Unfallstelle mit dem Warndreieck zu sichern, indem dieses mindestens 100 Meter entgegen der ursprünglichen Fahrtrichtung positioniert wird. Dabei immer den fließenden Verkehr im Auge behalten!
Lässt sich das Auto noch bewegen, sollte es an den äußersten Fahrbahnrand manövriert werden. Dabei gilt grundsätzlich: Eigensicherung geht vor. Vorsicht beim Betreten der Fahrbahn! Insbesondere an Autobahnen und Landstraßen sollten sich Menschen immer am Heck des Autos abseits des Fahrbahnbereichs oder hinter der Leitplanke aufhalten.
Erste Hilfe leisten
Wenn erforderlich, geht es nun daran, Personen aus dem verunfallten Fahrzeug zu bergen. Probates Hilfsmittel ist dabei der sogenannte Rautek-Griff: Dazu greift der Retter von hinten rechts und links unter den Achseln der zu rettenden Person nach vorn, ergreift mit einer Hand einen der Unterarme unmittelbar vor dem Ellenbogen und mit der anderen Hand das Handgelenk desselben Arms. Falls erforderlich, sollte man den Verunfallten nach der Bergung in die stabile Seitenlage bringen. Sollten diesbezüglich Erinnerungslücken bestehen: Der ADAC empfiehlt - auch zur eigenen Sicherheit - regelmäßig Erste-Hilfe-Kurse zu besuchen.
Dann die 112 (einheitliche Nummer innerhalb Europas) über das Mobiltelefon wählen und so die Rettungsdienste informieren. Bei der Meldung muss zunächst der eigene Name genannt werden. Dann: Was ist passiert? Wie ist der genaue Standort (Straßenbezeichnung, Fahrtrichtung, Kilometermarke)? Wie viele Personen benötigen medizinische Hilfe, ist jemand nicht ansprechbar?
Seit 2019 verfügen Neuwagen über ein automatisches Notruf-System (eCall), das nach einem schweren Unfall selbsttätig die professionellen Retter alarmiert und automatisch die Standort-Koordinaten übermittelt. Dieser Notruf kann auch manuell ausgelöst werden, beispielsweise durch Mitfahrer oder Ersthelfer. In jedem Fall sollten auch Ersthelfer und Unfallzeugen bis zum Eintreffen der Rettungskräfte und Erstversorgung der Verunfallten vor Ort bleiben, um gegebenenfalls Rückfragen beantworten zu können.
Polizei verständigen
Ist es bei einem Unfall zu Personenschäden gekommen, ein Fahrzeug fahrunfähig geworden oder ein Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen involviert, ist es unbedingt erforderlich, die Polizei zu kontaktieren. Ebenso, wenn bei dem Unfall Leitplanken, Leitpfosten, ein Wildtier oder ein Baum zu Schaden gekommen sind. Nur so lässt sich zuverlässig ausschließen, nachträglich wegen Fahrerflucht belangt zu werden.
Informationen sammeln
Ist die Unfallstelle abgesichert, die Verletzten versorgt und die Rettungskräfte angefordert, steht das Sammeln wichtiger Daten an. Denn: Nach dem Unfall ist vor der Schadenregulierung. Zur Beweissicherung sollten Namen, Zeugenanschriften, Kennzeichen und Versicherer notiert und die Unfallstelle aussagekräftig fotografiert werden. Auch dabei sollte man vorrangig auf den Verkehr und die eigene Sicherheit achten, betont der ADAC. Bei Fahrern oder Haltern aus dem Ausland sollte man auch nach der Grünen Karte fragen und Angaben zur Versicherung aufschreiben oder abfotografieren. Der AvD weist darauf hin, dass keine Pflicht besteht, sich gegenüber Privatpersonen auszuweisen. Werden Angaben zur eigenen Person gemacht, müssen diese aber stimmen. Außerdem kann man mögliche Zeugen ansprechen und diese bitten, bis zum Eintreffen der Polizei vor Ort zu bleiben. Dabei sollte man vollständige Angaben zu diesen Personen notieren, abfotografieren oder als Sprachaufnahme sichern. Lassen es die Lichtverhältnisse und die Situation zu, kann man die Beschädigungen mit dem Mobiltelefon dokumentieren. Auch dabei bedenken: Eigensicherung geht vor!
Unfallbericht nicht vergessen
Zur Schadenregulierung tauschen die Unfallgegner Personalien und Versicherungskontakte aus, am besten mit Hilfe eines Unfallberichts, auf dem alles Wichtige abgefragt wird. Diesen sollte man vorsorglich im Auto immer dabei haben. Ergänzt wird der Bericht mit der Schilderung des Unfallhergangs, Fotos sowie einer Skizze vom Unfallort und den Fahrzeugen. Den Unfallbericht erhält als Download zum Beispiel unter www.adac.de/unfallbericht oder unter https://avd.de/wissensbasis/verkehrsrecht. Die Unterschrift unter dem Bericht ist freiwillig und kann nicht verlangt oder erzwungen werden.
Aus versicherungsrechtlichen Gründen darf kein Schuldanerkenntnis abgegeben werden. Die Unfallbeteiligten unterschreiben lediglich sachliche Angaben zum Unfallhergang. Macht der Unfallgegner Ansprüche geltend, muss die eigene Kfz-Haftpflichtversicherung umgehend verständigt werden. Berechtigte Ansprüche gleicht die eigene Kfz-Haftpflichtversicherung aus, unberechtigte wehrt sie ab.
Gesundheitliche Beschwerden nach einem Unfall sollten möglichst umgehend von einem Arzt dokumentiert werden. Die Höhe des Schmerzensgelds bemisst sich unter anderem an der Schwere der Verletzungen, der Dauer der gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Rehabilitation.
Eine Vollkaskoversicherung reguliert Schäden, die der Fahrer selbst verschuldet hat. Bei einem fremd verschuldeten Unfall können eigene Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche bei der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung geltend gemacht werden. Um Ärger zu vermeiden und vollen Schadenersatz zu erhalten, empfiehlt der ADAC, einen Rechtsanwalt einzuschalten, dessen Kosten die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung tragen muss. Wichtig: Bei Streitfällen kann eine Verkehrsrechtsschutzversicherung das Kostenrisiko bei der Durchsetzung eigener Ansprüche abdecken. Jürgen Scheibe