Es ist in aller Munde, und durch die Beschränkung auf die vier Grundzutaten Wasser, Malz, Hopfen und Hefe glaubt man vielleicht, alles über Bier zu wissen. Trotzdem tauchen immer noch interessante Fakten rund um den Gerstensaft auf, die den Fachmann staunen lassen und den Laien verblüffen.Was verwenden die Nachbarn?Nach dem deutschen Lebensmittelrecht sind für Bier, gebraut nach dem Reinheitsgebot, keine Zusatzstoffe zugelassen, während das europäische Zusatzstoffrecht in Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 allerlei Zusatzstoffe wie Zuckerkulör, Benzoesäure, Schwefeldioxid, Propylenglycolalginat oder Gummi arabicum zum Bierbrauen in der Europäischen Union zulässt. Bier nach dem Reinheitsgebot besitzt nämlich den Status eines „Traditionellen Lebensmittels“ – dies ist in Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 ausdrücklich festgehalten. Der Artikel 20 dieser Verordnung bestimmt, dass für „Traditionelle Lebensmittel“ das EU-Zusatzstoffrecht auf nationaler Ebene drastisch eingeschränkt werden darf. Genau diese Möglichkeit hat Deutschland ergriffen und lässt für Reinheitsgebotsbiere außer Kohlensäure und Stickstoff als Treibgase keinerlei Zusatzstoffe zu.
Plastik im Bier?
Traditionell nach dem Reinheitsgebot gebrautes Bier ist etwa ein halbes Jahr haltbar, es sei denn, es wurde stark gehopft oder hat mehr Alkohol. Die ganz großen Brauereien verlängern die Haltbarkeit mit Polyvinylpyrrolidon (PVPP). Das Kunststoffgranulat soll dafür sorgen, dass das Bier monatelang schön klar bleibt und bis zu anderthalb Jahre lang verkauft werden kann. Da der Stoff – bis auf technisch unvermeidbare Rückstände – wieder aus dem Bier entfernt wird, muss er nicht auf der Flasche deklariert werden. Weitere Filterhilfsmittel sind Kieselgur (Schalen fossiler Kieselalgen) und Bentonit (Katzenbesitzer wissen, was das ist).
Kühl, dunkel und stehend
Man kann die Haltbarkeit eines Bieres übrigens auch selbst verlängern, denn nach drei bis sechs Monaten kann der Gerstensaft bereits an Geschmack und Farbe verlieren. Damit das nicht passiert, lagert man das Bier am besten im Dunkeln und bei 5 bis 15 Grad. Auf keinen Fall sollte man die Flaschen schütteln.
Auch Licht und Temperaturschwankungen sind den Angaben zufolge nicht gut für den Gerstensaft. Zudem sollte die Flasche unbedingt im Stehen gelagert werden. Kronkorken auf Bierflaschen können nämlich oxidieren, wenn sie mit dem Getränk in Berührung geraten.
7000 Möglichkeiten
Nun zu einem erfreulicheren Thema: Wer den Markt beobachtet, stellt fest, dass die Markenvielfalt deutscher Biere zunimmt. Allein in den letzten zehn Jahren sind 195 Braustätten in Deutschland hinzugekommen, und mit Blick auf die einzigartige Brauerei- und Biervielfalt dürfte es allein in Deutschland mittlerweile rund 7000 verschiedene Biermarken geben. Das Pils steht mit über 50 Prozent Marktanteil in der Beliebtheit unangefochten auf Platz 1.
Jahrelang Abwechslung
Jede Woche kommt mindestens ein neues Bier auf den Markt. Neuerdings bereichern immer mehr hopfen- und malzbetonte, aromaintensive Biere (darunter viele sogenannte „Craftbiere“) die deutsche Biervielfalt. Dieser Trend belegt einmal mehr, wie viele Möglichkeiten und Geschmacksvariationen im Rahmen des Reinheitsgebotes möglich sind. Den Brauern stehen rund 250 verschiedene Hopfensorten und 40 Malzsorten zur Verfügung, außerdem gibt es knapp 200 Hefestämme. Auch die Wahl des eingesetzten Wassers hat Auswirkungen auf das Aroma des Bieres. Ganz zu schweigen von den Besonderheiten der Brauverfahren –wie etwa der „Kalthopfung“ oder der Verzicht auf Filtration. Jürgen Scheibe
Bierkränzchen
Bierbrauen war, ebenso wie das Backen, in den ersten Jahrhunderten nach Christus bis zum Ende des Mittelalters Sache der Frauen. Gelang ein Sud besonders gut, lud die „Dame des Hauses“ ihre Nachbarinnen zum Bierkränzchen ein. Ein Brauch, aus dem vermutlich das Kaffeekränzchen entstand.