Es ist in aller Munde, und durch die Beschränkung auf die vier Grundzutaten Wasser, Malz, Hopfen und Hefe glaubt man vielleicht, alles über Bier zu wissen. Trotzdem tauchen immer noch interessante Fakten rund um den Gerstensaft auf, die den Fachmann staunen lassen und den Laien verblüffen.Was verwenden die Nachbarn?Nach dem deutschen Lebensmittelrecht sind für Bier, gebraut nach dem Reinheitsgebot, keine Zusatzstoffe zugelassen, während das europäische Zusatzstoffrecht in Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 die Zusatzstoffe (E) E 150 a – d Zuckerkulör, E 210 – E 213 Benzoesäure, E 200 – E 203 Sorbinsäure, E 220 – E 228 Schwefeldioxid, E 270 Milchsäure, E 300 Ascorbinsäure, E 301 Natriumascorbat, E 330 Citronensäure, E 405 Propylenglycolalginat, E 414 Gummi arabicum, E 950 Acesulfam K, E 951 Aspartam, E 954 Saccharin und seine Na-, K- und Ca-Salze, E 955 Sucralose, E 959 Neohesperidin DC, E 961 Neotam sowie E 962 Aspartam-Acesulfamsalz zum Bierbrauen in der Europäischen Union zulässt. Bier nach dem Reinheitsgebot besitzt nämlich den Status eines „Traditionellen Lebensmittels“ – dies ist in Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 ausdrücklich festgehalten.
Ein halbes Jahr lang haltbar
Der Artikel 20 dieser Verordnung bestimmt, dass für „Traditionelle Lebensmittel“ das EU-Zusatzstoffrecht auf nationaler Ebene drastisch eingeschränkt werden darf. Genau diese Möglichkeit hat Deutschland ergriffen und lässt für Reinheitsgebotsbiere außer Kohlensäure und Stickstoff als Treibgase keinerlei Zusatzstoffe zu.
Traditionell nach dem deutschen Reinheitsgebot gebrautes Bier ist etwa ein halbes Jahr lang haltbar, es sei denn, es wurde stark gehopft oder hat mehr Alkohol. Die ganz großen Brauereien verlängern die Haltbarkeit mit Polyvinylpyrrolidon (PVPP). Das Kunststoffgranulat soll dafür sorgen, dass das Bier monatelang schön klar bleibt und bis zu anderthalb Jahre lang verkauft werden kann.
Da der Stoff – bis auf technisch unvermeidbare Rückstände – wieder aus dem Bier entfernt wird, muss er nicht auf der Flasche deklariert werden. Weitere Filterhilfsmittel sind Kieselgur (Schalen fossiler Kieselalgen) und Bentonit (Katzenbesitzer wissen, was das ist).
Kühl, dunkel und stehend
Man kann die Haltbarkeit eines Bieres übrigens auch selbst verlängern, denn nach drei bis sechs Monaten kann der Gerstensaft bereits an Geschmack und Farbe verlieren. Damit das nicht passiert, lagert man das Bier am besten im Dunkeln und bei 5 bis 15 Grad Celsius Raumtemperatur. Auf keinen Fallsollteman die Flaschen schütteln. Auch Licht und Temperaturschwankungen sind den Angaben zufolge nicht gut für den Gerstensaft.
Zudem sollte die Flasche unbedingt im Stehen gelagert werden. Kronkorken auf Bierflaschen können oxidieren, wenn sie mit dem Getränk in Berührung geraten. Stehende Lagerung verhindert auch, dass die Flasche ausläuft. Denn Kronkorken sind nicht immer komplett dicht.
Nun zu einem erfreulicheren Thema: Wer den Markt beobachtet, stellt fest, dass die Markenvielfalt deutscher Biere zunimmt. Mit Blick auf die weltweit einzigartige Brauerei- und Biervielfalt in Deutschland kann davon ausgegangen werden, dass es zur Jahrtausendwende rund 5000 verschiedene Biere aus deutschen Braukesseln gab, schreibt der Deutsche Brauer-Bund.
Allein in den letzten zehn Jahren sind 195 Braustätten in Deutschland hinzugekommen. Der Brauer-Bund schätzt, dass es allein in Deutschland mittlerweile rund 7000 verschiedene Biermarken gibt, wobei das Pils mit über 50 Prozent Marktanteil in der Beliebtheit der Verbraucherinnen und Verbraucher unangefochten auf Platz 1 steht, gefolgt von Export- und Weizenbier.
Jahrelang Abwechslung
Jede Woche kommt mindestens ein neues Bier auf den Markt. Neuerdings bereichern immer mehr hopfen- und malzbetonte, aromaintensive Biere (darunter viele sogenannte „Craftbiere“) die deutsche Biervielfalt. Deutsche Biertrinker könnten rein rechnerisch gut 19 Jahre lang jeden Tag ein anderes Bier probieren – und müssten dabei keines zweimal kosten.
Eine Million Möglichkeiten
Der weltweite Trend zu Craftbieren belegt einmal mehr, wie unendlich viele Möglichkeiten und Geschmacksvariationen im Rahmen des Reinheitsgebotes möglich sind. Den Brauern stehen rund 250 verschiedene Hopfensorten und 40 verschiedene Malzsorten zur Verfügung, außerdem gibt es knapp 200 unterschiedliche Hefestämme.
Auch die Wahl des eingesetzten Wassers hat Auswirkungen auf das Aroma des Bieres. Ganz zu schweigen von den Besonderheiten der einzelnen Brauverfahren – wie etwa der „Kalthopfung“ oder der Verzicht auf Filtration. Unter Berücksichtigung aller Varianten bestehen letztendlich also mehr als eine Million verschiedene Möglichkeiten, ein (Craft-)Bier nach dem Reinheitsgebot zu brauen. Jürgen Scheibe
Bierkränzchen
Bierbrauen war, ebenso wie das Backen, in den ersten Jahrhunderten nach Christus bis zum Ende des Mittelalters Sache der Frauen. Gelang ein Sud besonders gut, lud die „Dame des Hauses“ ihre Nachbarinnen zum Bierkränzchen ein. Ein Brauch, aus dem vermutlich später das Kaffeekränzchen entstand.