Der 24. Dezember ist ein fester Termin in unserem Kalender. In den meisten Familien folgt der Heiligabend einem festen Ablauf – einer Aneinanderreihung von Ritualen, auf die wir uns fest einstellen und freuen können. Aber auch in der Vorweihnachtszeit begehen viele von uns feste Traditionen: Sei es der Besuch eines bestimmten Weihnachtsmarktes, das Aussuchen und Aufstellen des Weihnachtsbaumes, das gemeinsame Plätzchen- und Stollenbacken oder das Schauen eines Märchenfilms im Fernsehen.
Zusammenhalt und Stabilität
Von jeher haben Menschen Traditionen und Rituale gepflegt – aus familiären und religiösen Gründen, aber auch, um zu überleben. Denn wer Teil einer Gemeinschaft war, hatte evolutionäre Vorteile. Generell dienen Rituale dem Zusammenhalt, sie fördern das Zugehörigkeitsgefühl und geben uns besonders in Krisenzeiten Rückhalt und Stabilität.
Vorhersehbare Abläufe sind im Familienleben und besonders für Kinder wichtig. Sie geben unserem Leben Struktur und definieren, wer wir sind – sie liefern sozusagen den „Klebstoff“ zum Großwerden. Oft übernehmen wir die Rituale unserer Eltern und Großeltern und geben diese dann an die nächste Generation weiter.
Das Besondere
Rituale und Traditionen halten auch eine bestimmte Feierlichkeit inne und schaffen eine besondere Atmosphäre. So wird zur Bescherung am Heiligabend vielleicht eine festliche Weihnachtsmusik gespielt oder kurz vorher ein Glöckchen geläutet. Andere Rituale sind eher lustiger Natur: Manche machen am Weihnachtsmorgen eine Schneeballschlacht, andere verstecken eine Gurke im Baum und wiederum andere schauen am Abend eine Komödie im Fernsehen. In manchen Familien mag es auch Ritual sein, dass jeder Jahr für Jahr von Oma selbstgestrickte Socken geschenkt bekommt oder dass sich die Geschwister um das letzte Plätzchen zanken. Von Familie zu Familie sind Weihnachtsrituale unterschiedlich, aber eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind vorhersehbar und sorgen dafür, dass wir uns als Teil einer eingeschworenen Gemeinschaft fühlen, die sich auch ohne große Absprachen blind versteht.
Rituale im Wandel
Es kann aber auch vorkommen, dass „Alle Jahre wieder“ nicht mehr zu den aktuellen Lebensumständen passt und manche Rituale einfach veraltet oder gar unbeliebt geworden sind. Also warum nicht eigene neue Traditionen einführen? Das können schon Kleinigkeiten sein – zum Beispiel anstatt Gänsebraten einfach einmal Würstchen mit Kartoffelsalat servieren oder umgekehrt. Manch einer besucht lieber ein Konzert und entgeht dem familiären Geschenkerausch oder fliegt gar über Weihnachten in die Sonne. Das Schöne an Ritualen ist ja, dass sie wandelbar sind. Manche werden abgeschafft oder ersetzt, andere über Generationen hinweg genauso weiter zelebriert.
Neues wagen
Auch wenn Rituale für uns so wichtig sind, sollten wir über einmal den Tellerrand hinausschauen. Vielleicht sind sich alle Familienmitglieder einig, dass manche Traditionen abgeschafft werden sollten – nur traut sich keiner, etwas zu sagen? Warum das Thema nicht einfach ansprechen und sehen, wie die Reaktionen ausfallen? Zum Beispiel könnten neue Traditionen aus anderen Ländern übernommen werden. Oder das nächste Weihnachten wird einfach komplett anders gestalten und dann entschieden, ob es so fortgeführt werden kann oder nicht. Im „schlimmsten“ Fall geht das Ganze in die Hose und im Jahr darauf wird wieder alles wie zuvor. Auch das kann eine Veränderung sein und die altbewährten Rituale werden fortan wieder mehr geschätzt.
Gemeinsam, nicht einsam
Wer an Weihnachten ohne Familie ist, fühlt sich oft alleine. Doch das muss nicht sein! Wer Gemeinschaft und Geselligkeit sucht, kann auf zahlreiche Angebote zurückgreifen. Die Diakonie, die Malteser oder bestimmte Kirchgemeinden bieten Veranstaltungen an, um das Fest gemeinsam zu begehen. Dort treffen sich Gleichgesinnte und niemand muss alleine zuhause sitzen. Vielleicht gibt es auch Freunde, Bekannte oder Nachbarn, die ebenfalls an den Feiertagen allein sind? Manchmal kostet es etwas Überwindung, aber fragen kostet nichts und eine Verabredung ist schnell ausgemacht. Eine herzliche Einladung zum gemeinsamen Weihnachtsessen wird kaum jemand ausschlagen und vielleicht O entwickelt sich daraus ja eine neue Tradition? Eine andere Möglichkeit ist wohltätige Arbeit: Das könnte eine Vorlesestunde im Seniorenheim sein, selbstgebackene Plätzchen im Pflegeheim verschenken oder ein Weihnachtsessen für Bedürftige kochen. So begibt man sich in Gemeinschaft und tut gleichzeitig etwas Gutes.
Sina Kemnitz