Sechsmal in der Woche klingelt zwischen 1.30 und 1.45 Uhr bei Mathilde Wolfhagen der Wecker. Sie steht auf, macht sich fertig und geht hinaus in die Nacht. Vor ihrer Haustüre belädt sie zwei Packtaschen und einen Korb auf dem Gepäckträger ihres Fahrrads. Dann beginnt ihre Runde: Mathilde Wolfhagen ist Zustellerin und sorgt im mittelfränkischen Höchstadt dafür, dass die Abonnenten pünktlich ihren Fränkischen Tag im Briefkasten haben. Angefangen hat alles vor 23 Jahren. Über eine Bekannte wurde Mathilde Wolfhagen auf die Zeitungszustellung aufmerksam gemacht. „Sie haben damals Vertretungen gesucht“, erzählt die 60-Jährige. Weil sie sich durch den nächtlichen Job tagsüber um ihre Schulkinder und ihren zeitweise erkrankten Mann kümmern konnte, bewarb sie sich und fing zunächst aushilfsweise als „Austrägerin“ an.
„Die Arbeit hat mir gleich gefallen. Bald habe ich zwei Bezirke und schließlich noch einen dritten selbstständig übernommen.“ Seit 1997 trägt sie nun den FT aus, vor zehn Jahren kam sie über eine Vertretung zusätzlich zu zwei festen Bezirken der Nordbayerischen Nachrichten (NN). Solche langen Betriebszugehörigkeiten sind in der Branche keine Seltenheit. „Wir haben Zusteller, die schon über 50 Jahre dabei sind“, sagt Wolfgang Kalb. Er ist Regionalleiter bei der Z+S Zustell- und Service GmbH, dem Arbeitgeber von Mathilde Wolfhagen bei der Mediengruppe Oberfranken (mgo). Im Schnitt sind die Zusteller mehrere Jahre bis Jahrzehnte dabei. „Vor allem in kleineren Ortschaften auf dem Land bleibt der Job zu 95 Prozent in der Familie“, sagt Kalb.
Von Kronach bis Höchstadt
Das Zustellgebiet erstreckt sich von Kulmbach über Kronach nach Bamberg bis Höchstadt – dem Bezirk von Mathilde Wolfhagen. Dort gibt es mittlerweile eine Kooperation: „Unsere Mitarbeiter tragen die NN im Raum Höchstadt mit aus, im Raum Adelsdorf stellt die NN den FT mit zu“, erklärt Kalb.
Für Mathilde Wolfhagen heißt das vor allem: viel Gepäck. Die 60-Jährige ist immer mit dem Fahrrad unterwegs, egal bei welchem Wetter. Etwa 170 Zeitungen packt sie von Sonntag- bis Freitagnacht auf ihren Drahtesel, der unter der Last auch schon einmal zusammengebrochen ist. „Ich habe mir dann ein neues Rad gekauft“, sagt Wolfhagen. „Ich will diesen Job mit dem Fahrrad machen. Und ich will fit bleiben.“
Hin und wieder unterstützt sie ihr Mann ein bisschen und fährt ihr eine Ladung Zeitungen mit dem Roller zum Schlossberg – besonders im Winter, wenn dort mit dem Fahrrad schwer hinaufzukommen ist. „Das Schlimmste ist Blitzeis und wenn der Schnee gefroren ist, da kann man leicht stürzen“, erzählt Mathilde Wolfhagen.
Ihre Tour beginnt gleich an ihrem Haus „ums Eck herum“ und führt dann durch das ganze Stadtgebiet. „Um 2.15 Uhr fahre ich los, um 4 Uhr bin ich wieder zu Hause“, erzählt Mathilde Wolfhagen. Lieber ist ihr der Sommer, wo sie sogar die Arbeit bei Regen nicht schlimm findet. „Die Störche fangen immer an zu klappern, wenn sie mich hören.“ Aber auch im Winter geht sie warm angezogen gern hinaus. „Sogar minus 20 Grad machen mir nichts aus, solange es eine trockene Kälte ist.“ Sie ist davon überzeugt, dass ihr die frische Luft guttut. „Ich habe ganz andere Abwehrkräfte. Ich war in meinen 23 Dienstjahren nur dreimal krank.“
Notfalls mit der Taschenlampe
Wenn sie von ihrer Tour zurückkommt, könnte sie sich eigentlich wieder ins Bett legen. „Aber das mache ich nicht, dafür bin ich zu aufgewirbelt“, sagt Mathilde Wolfhagen. Deshalb liest sie in aller Ruhe die Zeitung und frühstückt. Um 6 Uhr geht’s dann weiter mit der Arbeit: die Post von Brieflogistik Oberfranken sortieren und ausfahren. Am späten Vormittag ist alles erledigt. Für Mathilde Wolfhagen ein klarer Vorteil: „Ich gehe halt nachts raus und arbeite, dafür habe ich ab Mittag Zeit für andere Tätigkeiten.“
Bis zu ihrem 25. Dienstjubiläum möchte Mathilde Wolfhagen die Arbeit noch weitermachen. Sie freut sich über die Anerkennung, die sie von den Kunden dafür bekommt. „Meine Leute kennen und schätzen mich. Sie wissen, dass sie durch mich ihre Zeitung pünktlich im Briefkasten haben. Neulich sagte ein Abonnent zu mir: Du bist die Fleißigste in Höchstadt.“ red