Auf den ersten Blick so undurchsichtig wie der Dschungel: Die Wissenschaft vom Pflanzenschneiden – besonders von großen und kleinen Gehölzen – überfordert so manchen Gartenbesitzer. Welcher Baum und welcher Strauch welchen Schnitt braucht, um gesunde Schönheit und womöglich üppig Früchte zu entwickeln, ist aber durchschaubar. Und machbar – wenn der Hobbygärtner vor dem Handanlegen auf Profis hört. Und im Zweifelsfall gleich die Profis ranlässt.
Grundsätzlich: Schnittvarianten
Beim radikalen Rückschnitt werden Baumteile entfernt, deren Umfang mehr als 15 Zentimeter beträgt – oder Gehölze sogar ganz beseitigt. Im Prinzip dreht es sich hier meist um Arbeiten, die nur noch mit der Motorsäge erledigt werden können. Ein Form- oder Pflegeschnitt gilt als kleiner Eingriff und ist ganzjährig gestattet. In der Regel wird er an ausgewachsenen Bäumen vollzogen, um jährlichen, zu ungestümen Zuwachs zu entfernen, die Kronenform zu konservieren und kräftigeres Wachstum anzuregen.
Zu generellen Regeln kommen individuelle: Jeder Baum und jedwedes Gehölz verkraftet unterschiedliche Schnittmaßnahmen anders. Um minimal zu verletzen und maximal Produktivität und Schönheit herauszukitzeln, gilt saisonale Sensibilität. Weil Bäume und Gehölze als Wohnorte für Tiere gelten, sollten Brachial-Maßnahmen ohnehin erst ab Herbst angegangen werden. Laut Bundesnaturschutzgesetz ist ein Radikal-Schnitt deutlich nach der Nestbauzeit tierischer Bewohner erlaubt: also von Oktober bis Februar. Aber auch die weniger invasiven Baumschnitte sind nur für Arten vorteilhaft, die im Sommer einen sogenannten hohen Saftdruck aufweisen und dann langsam nachlassen. In Richtung Winter verringert sich dieser Druck, wodurch weniger Feuchtigkeit verloren geht. Beispiele dafür sind Birken, Pappeln, Walnüsse oder auch Goldregen.
Hallo Herbst: Zeit zum Kappen
Am Ende des Sommers ist Schluss mit unbändigem Wachstum und deswegen auch gute Zeit für vorsichtigen Rückschnitt mit der Astschere. Sträucher, Hecken und Bäume werden so geschützt vor Schädlingsbefall an kaputten Stellen, werden quasi befeuert und treiben im Frühling üppiger aus. Dabei sollten abgestorbene Zweige, dünne Äste nahe dem Stamm, kranke Teile, Wassertriebe und Äste, die sich überschneiden oder gegeneinander reiben, abgeschnitten werden.
Damit sie gut durch den Winter kommen, sollte laut Garten-Experten vor allem der Rückschnitt von Koniferen und anderen immergrünen Pflanzen noch im Oktober passieren. So hat die durch den Schnitt entstandene Verletzung Zeit, bis zur richtigen Kälte zu verheilen.
Gerade stark wachsende Ziergehölze sollten im Herbst so gestutzt werden, dass sie das Wachstum der Nachbarn nicht behindern. Expertentipp: Sträucher und Büsche nicht nur oben und an den Seiten zurechtstutzen, sondern auch unten auslichten und mit der Astschere holzige Triebe entfernen. Auch Beerensträucher wie Johannisbeeren oder Stachelbeeren vertragen Einbremsen per Rückschnitt. Trocken, bewölkter Himmel und am besten noch kein Frost – so sieht der beste Schnitt-Tag für alle aus.
Besser noch nicht: Finger weg von diesen Bäumen
Während einige Nadel- und Laubbäume Schnippeleien ohnehin schlecht verkraften, können andere Baumsorten wie Steinobstbäume geschlagene Wunden nicht schnell genug vor dem Winter verschließen. Generell gilt deswegen: Wenn es schon zu sehr herbstelt, dann Finger weg von Laubbäumen wie Rotbuche, Ahorn oder Eiche, von Nadelbäumen wie Fichte oder Tanne und von Steinobstbäumen wie Pfirsich, Kirsche oder Zwetschge. Und ebenso nicht mehr anrühren: Heckengehölze wie Buchsbaum und Kirschlorbeer.
Spezialfall Obstbäume: Nicht zu spät!
Egal ob Pflanzschnitt, Erziehungsschnitt, Erhaltungsschnitt oder Verjüngungsschnitt: Obstbäume sind eine komplett andere Baustelle. Alle Obstbaum-Schnittvarianten definieren Maßnahmen, die zum gesunden Leben der Kandidaten und zu einer opulenten Ernte beitragen. Dazu gehört zwar auch das Kappen von Totholz oder sogenannten Wasserschossen – oder sensibles Einkürzen von Kronen zum Fruchtholz erhalten und gute Lichtversorgung bis ins Kroneninnere sicherstellen. Aber: Laut Profis ist das Schneiden von Obstbäumen erst in den Monaten Februar bis März zu empfehlen und heißt dann Winterschnitt. Annette Gropp
Gut zu wissen
Mein Baum, meine Entscheidung? Das sagt die Bayerische Staatsregierung: „Bevor Sie einen Baum, auch wenn er sich auf Ihrem eigenen Grund und Boden befindet, fällen, sollten Sie sich bei Ihrer Gemeinde erkundigen, ob sie eine Baumschutzverordnung erlassen hat. Bäume dürfen dann ggf. nur mit Genehmigung gefällt oder zurückgeschnitten werden.“
Weil es laut Paragraf 39, Absatz 5 des Bundesnaturschutzgesetzes eventuell nicht nur in der Brutzeit verboten ist, Bäume auf Privatgrund radikal zu bearbeiten, hilft gründliche Recherche. Vorher bei der zuständigen Behörde nachzufragen, schützt vor Ärger. Weitere Infos auf www.eap.bayern.de