Der Garten im Sommer
Trend? Schon die Vokabel wird oft mit Oberflächlichkeit, Äußerlichkeit und Kurzlebigkeit assoziiert. Beim Garten wird es aktuell allerdings tiefgründig und die Trends wachsen über bloße Hypes hinaus. Die generelle Richtung zeigt dabei den sinnvoll kombinierten Widerspruch: Naturnah gärtnern und leben – und für nachhaltiges Funktionieren smarte Technologien einbauen. Denn die Brisanz des Klimawandels stellt zwar zunehmend ungemütliche Forderungen – deren Konsequenzen erleichtern aber auch die Gartengestaltung.
Regenerativ und tierfreundlich
Jeder Garten ist ein Ökosystem. Dass so eine Anlage nur dann gesund funktioniert, wenn sie sensibel behandelt wird, ist der Meta-Trend beim Gärtnern. Sensibel heißt dabei gar nicht arbeitsreicher: Gefragt und gewollt ist Bearbeitung mit weniger Wasser, weniger Chemikalien und reduzierter Umgang mit künstlichen und schlecht abbaubaren Materialien. Stattdessen werden immer mehr recycelte, lokal hergestellte und naturnahe Stoffe und Hilfsmittel eingesetzt – und biodiverse Bepflanzung realisiert. Auch der Run auf trockenheitsresistente Pflanzen, die Trockenheit und Winterfeuchtigkeit ertragen, ist nachhaltig.
Natürlich geht es auch ums Seinlassen. Wildnis durch ungezügeltes Wachstum plus Totholzecken: Zur Natürlichkeit und Naturbelassenheit ist mit wachsen lassen auch wachsende Tierfreundlichkeit angesagt. Die wiederum über Wildflächen mit Urwaldcharakter bessere Nutzbarkeit durch ursprüngliche Koexistenzen nach sich zieht.
Weniger Rasen, mehr Wiese
Wegen anhaltender Dürreperioden schwinden Rasenflächen. Und vor allem durchgestylte Monokulturen, die ständig gemäht werden müssen. Stattdessen setzen private Landschaftsarchitekten und Gärtner immer mehr auf wilde Wiesen, die naturnah und tierfreundlich sind – und das erste Mal im Sommer und das zweite Mal im Herbst zurückgeschnitten werden. So ein Garten ist Lebensraum für Insekten und Säugetiere und spart dabei Arbeit.
Zum Trend gehört auch die Tendenz zum Bauerngarten: Diese ländliche Traditions-Parzelle wirkt malerisch und ungezügelt zugleich. Die Ursprünge von Bauerngärten finden sich in früheren Kloster- und Schulgärten, die der Selbstversorgung und Weitergabe von Wissen dienten. Dementsprechend werden in einem Bauerngarten auf kleinstem Raum Gemüse als auch Küchen- und Heilkräuter angepflanzt, daneben zum optischen Auflockern aber auch Zierpflanzen.
Selbst versorgen
Apropos Gemüse: Der Trend zu mehr Natürlichkeit gipfelt logischerweise in maximierter Selbstversorgung. Fernab vom industrialisierten Obst- und Gemüseanbau vertrauen immer mehr Hobbygärtner nur noch ihrer eigenen Ernte. Wie es Platz und Zeit gestatten, wird immer mehr Obst und Gemüse für den Eigenbedarf angebaut. Auch wenn komplett autarkes Leben in den seltensten Fällen funktioniert, offeriert schon ein Anteil selbst(v)erarbeiteter Lebensmittel Kontrolle über Inhaltsstoffe und Geschmack.
Smarte Technik nutzen
Über automatische und adaptierte Bewässerung, ausgeklügelte Beleuchtung oder smarte Gewächshaustechnik kann nicht nur Pflegeaufwand automatisiert und reduziert, sondern auch das Maß an umweltbelastender Technik sinnvoll angepasst und als positiver Support fürs Ökosystem genutzt werden. Der Einsatz eher schwieriger Werkzeuge wie Dauermarathons von Rasenmäher-Robotern kann besser kontrolliert und reduziert werden – und findet laut Trend und Profis zur Schonung von Flora, Fauna, Habitat und Nachbarschaft idealerweise lebewesenfreundlich innerhalb lokaler und temporärer Grenzen statt.
Draußen leben
Immer ausgeklügelter und immer breiter: der Trend, das ganze Leben mit allen Lieblingsvorgängen zeitweilig nach draußen zu verlagern. Aus dem Outdoor-Essplatz und -Wohnzimmer wird jetzt der komplette Freilicht-Lebensraum unter der Sonne und auch unterm Sternenzelt. Zur immer durchdachteren Möblierung kommt die Gestaltung einer vermauerten und mehrteiligen Outdoorküche plus Integration von Bar, Loungezonen und ebenfalls sternetauglichen Schlafmöglichkeiten. Grenzen setzt nicht die Fantasie, sondern nur der Geldbeutel.
Draußen arbeiten
Weil Gartenarbeit zwar Selbstversorgerqualitäten haben kann, aber selten den Lebensunterhalt bestreitet, wird gern das Homeoffice nach draußen verlagert. Wo damals der Gartentisch unterm Sonnenschirm gereicht hat, gibt es jetzt Ansätze, ein ganzes Büro für die Sommerzeit im Draußen-Areal zu errichten. Pavillon, Gartenhütte oder sogar Baumhaus machen die Arbeit zum Vergnügen; sie inspirieren und entspannen während der Kopfarbeit - und tragen nicht nur wegen prima Gartenluft, sondern auch wegen natürlicher Geräuschkulisse zu besserer Gesundheit bei.
Ästhetik-Wandel
Das Auge hat sich schon an die neue Art des Gärtnerns gewöhnt und weiß inzwischen eine wildere und weniger stilisierte Ästhetik zu schätzen. Sogar mehr: Das Bestreben geht hin zur wilden Opulenz, zu gesunder Pracht und natürlichen Unregelmäßigkeiten bei natürlichem Farb-Mix. Bei aller Technisierung weicht die Coolness zunehmend einer ungezähmten Aura, die wildes gesundes Leben, wertschätzende Kreativität und naturnahe Schönheit auf einen immer gefragteren Nenner bringt. Kooperation ist angesagt - die Mensch und Ökosystem gleichermaßen Spaß macht. Annette Gropp
Deko-Trends
Kieselstein-Gärten sind ohnehin out und der Vintage-Trend wird Seventies: Trendscouts schwärmen von einer neuen Opulenz, die Mobiliar und Deko stilisiert - und zum natürlichen Farbrausch im Garten passt. Ewiger Anthrazit und staubige Nichtfarben werden von einer wilden, starken und leuchtenden Siebziger-Jahre-Farbpalette verdrängt.