Unser heutiger Weihnachtsbaum oder Christbaum hat sich Forschungen zufolge ursprünglich aus dem mittelalterlichen „Paradiesbaum“ entwickelt, welcher für die sogenannten Paradiesspiele am 24. Dezember aufgestellt wurde – einem geistlichen Schauspiel über die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies. Daran hingen zunächst Äpfel, Backwaren und Blüten aus Papier. Später kamen Nüsse und weitere Süßigkeiten hinzu, weshalb er auch Zuckerbaum genannt wurde. Im 18. Jahrhundert wurde dann mithilfe bestimmter Formen – sogenannte Model – aus Teig oder anderen Massen der Baumbehang hergestellt. Oft handelte es sich dabei um Tier- und Spielzeugmotive. Häufig wurde der Christbaumschmuck aber in den Familien selbst gefertigt, zum Beispiel aus Papier, Stroh oder Watte.Wiege des ChristbaumschmucksDie ersten Glaskugeln waren eigentlich ein aus der Not geborenes Produkt. Der Legende nach wurden die Baumkugeln aus farbigem Glas 1847 von einem Glasbläser aus dem thüringischen Lauscha hergestellt, weil er sich in diesem Jahr keine teuren Nüsse oder Äpfel für seinen Baum leisten konnte. Allerdings waren die Glasrohlinge zur Herstellung der Kugeln nicht gerade günstig, daher lässt sich diese Geschichte nicht sicher belegen. Nachgewiesen ist aber, dass in einem Auftragsbuch eines Glasbläsers von 1848 eine große Bestellmenge an Glaskugeln vermerkt wurde. In den ersten Jahren wurde der gläserne Christbaumschmuck mit einer Zinn-Blei-Legierung verspiegelt, die 1870 durch das Verspiegeln mit Silbernitrat abgelöst wurde. Der neue Baumschmuck fand immer mehr Anklang und so wurde 1867 die erste Produktionsstätte in Lauscha geschaffen, welche es den Glasbläsern ermöglichte, über einer sehr heißen Gasflamme besonders große und dünnwandige Kugeln zu blasen. Den Vertrieb der Glaskugeln übernahmen Verlagshäuser aus Sonneberg.
Weltweiter Siegeszug der Glaskugel
Etwa um 1880 wurde der Amerikaner Frank Winfield Woolworth, Gründer der gleichnamigen Kaufhauskette, auf die Glaserzeugnisse aus Lauscha aufmerksam. Er brachte den besonderen Baumschmuck in die USA und kurze Zeit später wurde dieser zum wahren Exportschlager. Die Produktionsstätten mussten erweitert werden und es begann ein wirtschaftlicher Aufschwung in der gesamten Region. Zwischen 1870 und 1939 wurden bis zu 5000 verschiedene Anhänger-Formen hergestellt. 1890 betrug das Verkaufsvolumen des gläsernen Baumschmucks bei Woolworth bereits um die 25 Millionen Dollar.
Immer mehr Regionen und Länder zogen nach, so wurde der Christbaumschmuck auch in Tschechien, Polen, in Wien und den USA selbst hergestellt. Doch der Zweite Weltkrieg beendete vorerst den Siegeszug der Glaskugel. Erst zwei Jahre nach Ende des Krieges wurde die Produktion wieder aufgenommen. Zunehmend kamen Kugeln aus Plastik in Mode und einige Produktionen wurden schließlich nach Asien verlagert.
Die Rückbesinnung
Seit 1990 erlebt die Christbaumschmuck-Herstellung einen neuen Aufschwung. Die Hersteller achten besonders auf das traditionelle Handwerk. Werkzeuge und Verfahren sind teilweise über hundert Jahre alt und werden wie ein Schatz gehütet – vor allem im thüringischen Lauscha. Hier wird das traditionelle Glasbläserhandwerk bis heute ausgeführt und lockt jährlich zahlreiche Besucher in die Glasbläserstadt. Viele Glasbetriebe und -verkaufsstätten, aber auch das Museum für Glaskunst oder der Lauschaer Kugelmarkt ziehen Kugelliebhaber aus nah und fern an.
Aktuelle Trends
Doch nicht nur die Rückbesinnung auf Tradition, sondern auch moderner Lifestyle halten Einzug in die Entwicklung neuer Formen. Filigrane Handdekoration und Malerei hauchen dem Glas Leben ein. Die Palette der Farben und Maltechniken lässt keine Wünsche offen. Gläserner Baumschmuck findet sich heute in zahlreichen Dekoabteilungen von Möbel- und Einrichtungshäusern, aber auch in kleinen und großen – auf Weihnachtsartikel spezialisierten – Geschäften wieder.
2021 sind gleich mehrere Trends vorherrschend: Zum einen stehen elegante Kugeln in dunklen Blau- und Grüntönen oder Schwarz im Fokus, welche mit goldenen Details verziert werden. Wer es leichter und feiner mag, für den sind die aktuellen Rosa- und Beerentöne genau das Richtige. Mit Blumenbordüren und glitzernden Blätterranken verziert, verleihen sie dem Baum einen femininen Hauch. Kühler und nordisch wirken die metallischen Blau- und Silbertöne, welche auch perfekt durch weiße oder transparente Formen ergänzt werden können. Ob trendig oder klassisch, ob amerikanisch-kitschig oder extra ausgefallen – generell gilt: Der Fantasie sind bei der Weihnachtsbaumgestaltung keine Grenzen gesetzt. Sina Kemnitz