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Glasflaschen aus Franken

Die Glasindustrie zwischen Tradition und Transformation

Glasflaschen aus Franken

Bei der Glasherstellung wird das Gemenge aus Quarzsand und Co. auf 1600 Grad erwärmt. Foto: aetb/stock.adobe.com

30.09.2022

Der Werkstoff Glas ist seit Jahrtausenden  in Gebrauch und spätestens seit der industriellen Herstellung zu Beginn des 19. Jahrhunderts für uns ein Alltagsgegenstand geworden. Gerade in Zeiten, in denen der Klimaschutz in den Vordergrund und Erzeugnisse aus PET in den Hintergrund rücken, gewinnt Glas noch mehr an Bedeutung. 

Umweltfreundlich und inert

Zwar sind PET-Flaschen wesentlich leichter und werden unter geringerem Energieaufwand hergestellt, jedoch können sie nur rund 20bis 25mal wieder befüllt werden, Glasflaschen hingegen bis zu 50mal. Danach beginnt der zweite Kreislauf für die Glasflaschen: Sie werden recycelt und kommen bei der Produktion von neuem Glas zum Einsatz. Viele Flaschen im Handel bestehen heute bereits aus 60 bis 90 Prozent recyceltem Altglas - ohne Qualitätsverlust. Der Grund, warum dieses System funktioniert ist, dass Glasflaschen „inert” sind. Das bedeutet, sie nehmen weder fremde Stoffe auf, noch geben sie Geschmacks- oder Fremdstoffe an ihren Inhalt ab. Somit sind Lebensmittel in Glasverpackungen optimal geschützt und behalten ihren unverfälschten Geschmack.

Nur 12 Unternehmen in Deutschland produzieren Behälterglas, wie etwa Bier- und Weinflaschen. Fotos: Adobe Stock

Glas aus Franken

In Deutschland dominiert die Glasflasche den Wein- und Biermarkt, besonders in Franken legt man Wert auf Getränke aus Glasbehältnissen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass zwei der zwölf deutschen Behälterglas-Hersteller aus Franken kommen. Während sich Heinz Glas aus Kleintettau eher auf die Herstellung von Verpackungsglas für Kosmetik und Parfümerie spezialisiert hat, umfasst die Produktpalette von Wiegand Glas in Steinbach am Wald alle Standard-Mehrwegweg und Einweg-Glasverpackungen sowie kundenindividuelle Lösungen für Bier, Wein, Sekt, Spirituosen, alkoholfreie Getränke und Nahrungsmittel.

Der fränkische Bocksbeutel

Eines der über 2000 verschiedenen Produkte aus Steinbach am Wald ist der fränkische Bocksbeutel. Die flache Glasflasche wird hier in den Farben Weiß, Grün und Oliv hergestellt. Solche abgeplatteten Gefäße (ähnlich der Feldflasche) gab es bereits bei den Kelten, da diese aufgrund ihrer Form besonders gut unterwegs verwendet werden konnten. Die Namensherkunft ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Eine Theorie besagt, der Begriff käme vom niederdeutschen „Booksbeutel” – dem beutelartigen Überzug von Gebets- und Gesangsbüchern. Eine andere meint, die Form wäre dem Hodensack eines Ziegenbocks nachempfunden.

Bocksbeutel wurden erstmals im 16. Jahrhundert erwähnt und 1728 in Würzburg sogar zum Gesetz: Der Bocksbeutel sollte den Frankenwein nämlich fälschungssicher machen. Denn damals kam man nicht einfach so an solch eine besondere Flasche heran, diese musste noch aufwändig per Mund geblasen werden. Auch heute noch steht der Bocksbeutel für Qualitätswein aus Franken.

Bierflaschen

Von der 0,2bis zu 1-Liter-Bierflasche ist im Sortiment von Wiegand Glas alles vertreten. Hier werden Flaschen für Warsteiner, Köstritzer, Altenburger, aber auch für zahlreich Biere aus Skandinavien hergestellt. Auch die kleine gedrungene Steinieflasche wird in Steinbach am Wald produziert. Ebenso füllt die kleine Brauerei Haberstumpf aus Trebgast ihr Bier in Flaschen aus Steinbach am Wald ab. Sie bezieht von dort die sogenannten „Eco2Bottles", welche einen deutlich kleineren CO2-Fußabdruck hinterlassen als herkömmliche Bierflaschen. Durch den besonders hohen Einsatz von Altglas sowie die Nutzung von Ökostrom werden beim Produktionsprozess die Emissionen somit deutlich verringert.

Energiepreise schüren Existenzangst

Um Glasflaschen herzustellen, muss ein Gemenge aus Quarzsand und anderen Bestandteilen (u.a. auch recycelten Glasscherben) bei 1600 Grad in einer Schmelzwanne erwärmt werden. Das Gemenge benötigt fast einen Tag, um sich in eine leuchtend-orange zähflüssige Masse zu verwandeln - das zukünftige Glas. Der gesamte Herstellungsprozess erfordert daher enorm viel Energie.

Aufgrund der stark steigenden Gas- und Energiepreise sind die Glashersteller besorgt, dass sie bald nicht mehr wirtschaftlich produzieren können - das würde eine Bedrohung für die gesamte Region und zahlreiche Arbeitsplätze bedeuten.

Zudem zeingen die wachsenden klima- und energiepolitischen Anforderungen die Branche zur Transformation. Die EU-Vorgaben zur Dekarbonisierung für energieintensive Betriebe fordern die Reduzierung von CO2-Emissionen durch den Einsatz kohlenstoffarmer Energiequellen. Heinz Glas aus Kleintettau hat den Wandel bereits vorangetrieben: Die ersten Schmelzwannen wurden auf elektrisches Schmelzen umgestellt, Erdgas als Energieträger abgeschaltet. Nun gilt es, schnell grünen Strom aus Wind- und Wasserstoffenergie bereitzustellen - im besten Fall aus der Region für die Region, damit die jahrhundertealte deutsche Glasindustrie weiter bestehen kann. Sina Kemnitz