Ein Tinnitus ist wie ein leises Fiepen, gerade einmal so laut wie das Ticken einer Uhr. Einige gehen mit einer gewissen Leichtigkeit damit um, nennen es scherzhaft "den kleinen Mann im Ohr" oder "das persönliche Orchester". Doch für viele entwickelt sich ein Tinnitus zum Leiden, vor allem, wenn das Ohrengeräusch chronisch wird. Oft führt es zu psychischen Erkrankungen wie Depression. Woher kommt aber ein Tinnitus - und was kann man dagegen tun?
Wie viele Menschen leiden an Tinnitus?
Tinnitus steht für den medizinischen Fachausdruck für Ohrgeräusche, Ohrensausen oder Ohrenklingeln. Diese Geräusche werden oft als Pfeifen, Rauschen, Zischen oder Summen erlebt. Ein Tinnitus ist keine eigenständige Erkrankung im Ohr selbst, sondern vielmehr ein Symptom für unterschiedliche Störungen.
Wie entsteht so ein Tinnitus? Das Hören ist ein komplexer Prozess, der eine Zusammenarbeit zwischen dem Ohr und dem Gehirn erfordert. Schallwellen gelangen durch den Gehörgang, das Trommelfell und das Mittelohr zum Innenohr, wo sie von den Hörsinneszellen in elektrische Signale umgewandelt werden. Diese Signale werden dann zum Gehirn weitergeleitet, wo sie verarbeitet und verstanden werden. Das Gehirn ist auch in der Lage, störende Geräusche herauszufiltern. So hören wir zum Beispiel körpereigene Geräusche wie den Herzschlag oder Magengeräusche nicht.
Doch selbst geringfügige Störungen im Hörsystem, wie Schäden an den Hörsinneszellen, können die Hörverarbeitung beeinträchtigen und Tinnitus verursachen. Die Psyche spielt ebenfalls eine Rolle, da unsere Stimmung beeinflussen kann, wie wir Töne und Geräusche wahrnehmen und darauf reagieren.
Ursachen für einen Tinnitus
Noch vor einigen Jahren hat man beim Tinnitus von einem einheitlichen Symptom gesprochen. Dank neuerer Forschungen weiß man inzwischen mehr. Es gibt verschiedene Unterformen des Tinnitus mit unterschiedlichen Auslösern - unterschiedliche Krankheitsmodelle, unterschiedlicher Leidensdruck. Die häufigste Ursache (etwa 43 Prozent) von Tinnitus ist Lärm einschließlich Knalltrauma. Bei Schwerhörigen gaben zwei Drittel an, Tinnitus zu haben. Das Ohrengeräusch tritt zu 70 Prozent bei Otosklerose auf, einer entzündlich bedingten, fortschreitenden Immobilität der Mittelohrgehörknöchelchen. Ein Hörsturz kann auch einen Tinnitus zur Folge haben. Bei einem Schädel-Hirn-Trauma kann ein Tinnitus auftreten, wenn es eine Innenohrläsion gab. Das Pfeifen wird häufig als Nebenwirkung von Medikamenten genannt, dann spricht man von einer ototoxischen Ursache. Bei einer durch chronische Muskelverspannung hervorgerufenen degenerativen Halswirbelsäulenveränderung oder bei Störungen im Kiefergelenkbereich kann auch Tinnitus entstehen.
Häufig ist Tinnitus aber eine Folge von stressiger Dauerbelastung. Bei Stress schüttet der Körper mehr Cortisol aus, das dann im Ohr die Freisetzung von Glutamat in den Nervenzellen und auch Calcium bewirkt. Die Folge ist, dass die Hörsinneszellen übermäßig erregt sind und im Gehirn so zu einer Hyperaktivität führen.
Der Schweregrad des Tinnitus
Es gibt vier Abstufungen des Tinnitus, die sich hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen unterscheiden. Im ersten Grad empfinden viele Erwachsene den Tinnitus nicht als Beeinträchtigung. Im zweiten Grad werden die Ohrgeräusche als störend empfunden, insbesondere in stressigen und belastenden Situationen. Im dritten Grad beeinträchtigt der Tinnitus den privaten und beruflichen Alltag dauerhaft, die Betroffenen berichten über weitere Probleme, die sie auf den Tinnitus zurückführen. Im vierten Grad leiden manche Menschen so stark, dass er langanhaltende psychische und körperliche Beschwerden verursachen kann, wie Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Schlafprobleme, verminderte Leistungsfähigkeit, Angst und Schmerzen. In vielen Fällen treten Depressionen oder Angststörungen auf, manchmal sogar Suizidgedanken.
Behandlungsmethoden von Tinnitus
Ist ein Tinnitus erst einmal da, raten Experten dazu, schnell zu handeln. Betroffene sollten dann einen Hals-Nasen-OhrenArzt aufsuchen, um sich untersuchen zu lassen.
Bei einem akuten Fall von Tinnitus kommt es darauf an, woher das Symptom kommt. Liegt es an einer Erkrankung wie einer Mittelohrentzündung, kann man es mit Antibiotika behandeln. Bei einem Hörsturz kann es auch an der Menière-Krankheit liegen, die auch eine spezifische Behandlung erfordert. Bei einem Knalltrauma müssen schnellstmöglich Schäden am Trommelfell und im Innenohr behoben werden. Häufig bekommt der Patient dann Infusion mit Kortison. Manchmal ist ein Eingriff notwendig.
Gerade bei schwierigen Lebenssituation, die einen Tinnitus zur Folge haben, ist ein achtsamer Umgang mit sich selbst notwendig. Fachärzte raten bei belastendem Tinnitus dazu, innezuhalten und den eigenen Gemütszustand zu erkennen und gezielt Entspannungsübungen in den Alltag einzubauen, zum Beispiel progressive Muskelentspannung oder einfache Meditation. Wichtig sind auch regelmäßige Pausen im Alltag, um zur Ruhe zu kommen. Bei Verspannung helfen Lockerungsübungen oder ein Besuch bei einem Osteopathen oder Physiotherapeuten.
Bleibt der Tinnitus als Belastung, können kognitive Verhaltenstherapien helfen - ob als Einzel- oder Gruppentherapie mit bis zu 15 Sitzungen. Dabei lernen Betroffene, mit dem Tinnitus umzugehen, wie zum Beispiel mit angenehmer Musik oder Hörbüchern das Geräusch in den Hintergrund zu drängen. Auch Phantasiereisen können helfen, das Geräusch zu überhören.
Bei einer anhaltenden Tinnitusbelastung raten Fachärzte auch zu einer Psychotherapie, um Angststörungen und Depressionen zu behandeln, wenn nötig auch mit medikamentöser Unterstützung.
Hörgeräte sind hilfreich
Wenn sich Hörverlust und Ohrgeräusch nicht behandeln lassen, raten HNO-Ärzte zu einem Hörgerätes. Durch die besser hörbare Umwelt schaffen es die Geräte, dass Ohrgeräusche wie der Tinnitus in den Hintergrund geraten.
So viele Ursachen, wie es für den Tinnitus gibt, gibt es auch zahlreiche individuelle Behandlungsmethoden. Wichtig ist, frühzeitig damit anzufangen und Hilfe beim HNO-Arzt zu suchen. Lukas Pitule