Roboter, die selbstständig Kühe melken und dabei gleichzeitig die Inhaltstoffe der Milch messen. Navigationssysteme, die zentimetergenau steuern können, wie viel Wasser, Saat und Dünger ausgestreut werden muss. Satelliten, die Felder auf Schäden oder Reifegrad der Früchte überwachen. Was hier nach Science-Fiction klingt, ist schon längst in der fränkischen Landwirtschaft angekommen. Die Politik möchte noch einen Schritt weiter gehen und mit gezielten Förderungen in den Ausbau der Digitalisierung die Landwirtschaft nicht nur regionaler gestalten, sondern auch nachhaltiger.
Förderrichtlinie "Zukunftsbetriebe und Zukunftsregionen"
Für die Förderung der Digitalisierung in der Landwirtschaft hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine neue Förderrichtlinie entworfen: ,,Richtlinie über die Förderung der Einrichtung von Experimentierfeldern als Zukunftsbetriebe und Zukunftsregionen der Digitalisierung in der Landwirtschaft sowie in vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten". Neben dem bereits etablierten „digitalen Experimentierfeldern in der Landwirtschaft" fördert sie nun zum ersten Mal auch Zukunftsregionen.
Mit einem starken Mobilfunk- (5G, LTE) und Breitbandnetz, Ideen und Handlungsansätze will das Ministerium die digitale Transformation im Agrarbereich vorantreiben und die landwirtschaftlich geprägten ländlichen Räume stärken. Zwei Ziele hat die Förderrichtlinie: Zum einen soll mit der Einrichtung der Zukunftsbetriebe der Nutzen der Digitalisierung für die heimische Landwirtschaft weiter erforscht und die Entwicklung unterstützt werden.
Zum anderen sollen mit der Einrichtung von Zukunftsregionen die Chancen der Digitalisierung auch in den der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereiche (z.B. Vermarktung von regionalen Produkten) genutzt werden. Bundesminister für Ernährung Landwirtschaft Cem Özdemir (Grüne) sagte dazu: "Die Digitalisierung hat das große Potenzial, sowohl eine ressourcenschonendere Landwirtschaft möglich zu machen als auch ländliche Regionen zu stärken. Jeder Cent der rund 22 Millionen Euro, die wir nun ergänzend in die Forschung investieren, ist gut investiertes Geld. Wir treiben so die digitale Transformation im Agrarbereich und den ländlichen Räumen nachhaltig voran."
Die Chancen der Digitalisierung
Wie kann man mit E-Farming die Landwirtschaft nachhaltiger und regionaler gestalten? Martin Flohrschütz ist Verkaufsleiter von Landtechnik Nicklas und arbeitet berufsbedingt seit Jahren mit dem Thema Digitalisierung der Landwirtschaft. Er kennt die Chancen für die fränkische Landwirtschaft durch die moderne Technik. Um das Wirken der digitalen Landwirtschaft in Bezug auf Nachhaltigkeit zu verstehen, muss man erst einmal die große Arbeitsweise der Digitalisierung verstehen. Martin Flohrschütz erklärt: „Bei der Digitalisierung in der Landwirtschaft reden Experten von verschiedenen Säulen: Es gibt die Verwaltung von Daten, die Produktion und die Vermarktung."
Die Verwaltung von Daten bezieht sich in erster Linie auf die Öffentliche Verwaltung. Dazu zählen unter anderem ausgereichte Förderungen, papierlose Verwaltung oder Daten, die man als Landwirt selbst verwaltet und jeder Gewerbebetrieb einsetzen muss, um nachzuweisen. Doch es geht auch mehr. Dazu erklärt Martin Flohrschütz: ,,In Zukunft werden unsere Felder alle paar Tage mit einem Satelliten überflogen und gescannt. Die Landwirte erhalten so tagesaktuell auf ihrem Rechner die neuesten Bilder ihrer Felder."
So können Landwirte per Mausklick sehen, wie der Bestand der Felder ist, ohne rausfahren zu müssen. Gab es Insektenbefall, Wild- oder Sturmschaden? Wie hat sich die Frucht entwickelt? Fehlen Nährstoffe oder sind die Feldfrüchte krank? Die Auflösung der Luftbilder wird ständig besser und so lassen sich zusammen mit dem Wetterbericht Prognosemodelle errechnen und Ertrag abschätzen. Die Landwirtschaft wird präziser.
Hightech im Stall
Bei der Produktion hilft das Smart Farming schon jetzt, effizienter und ressourcenschonender zu arbeiten. Zum Beispiel arbeiten viele Landwirte bereits mit sogenannten Melkrobotern. Sie melken nicht nur die Kühe automatisch, sondern ziehen auch Daten aus der Milch und machen daraus eine Inhaltsstoffmessung. Braucht die Kuh noch wichtige Nährstoffe oder ist sie vielleicht auch überversorgt? Mit diesen Informationen erstellt moderne Fütterungssoftware einen Ernährungsplan für die Tiere. Moderne Erntemaschinen ermitteln in Echtzeit mittels eines Infrarot-Systems die Inhaltsstoffe von Gras und Mais.
Zusammen mit dem Ernährungs-/Fütterungsplan für die Tiere, kann man die geernteten Früchte (z. B. Gras und Mais), optimal für eine ausgewogene Fütterung einsetzen. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Natürlich ist das sehr kostenintensiv und bei weitem gehen noch nicht alle Betriebe in diese Richtung. Der Trend ist jedoch in der fränkischen Region eindeutig: ,,Allein die Melkroboter sind schon eine große Erleichterung für Landwirte. Kühe müssen früh morgens und am Abend gemolken werden - und kaum jemand ist mehr bereit, um diese Zeiten zu arbeiten, mit so einer großen Pause dazwischen", weiß Martin Flohrschütz.
Nachhaltigkeit dank moderner Technik
Digitalisierung geht in der Produktionstechnik noch einen Schritt weiter: Mit der modernen Technik können Landwirte ihre Felder ressourcenschonender und ertragreicher bearbeiten. Schlepper mit einem digitalen Lenk- und Spurführungssystem navigieren auf dem Acker und dokumentieren, was dort gerade passiert. Das System zeichnet die Spuren auf und weiß anhand der Daten, wo bereits gesät oder gesprüht wurde.
Martin Flohrschütz erklärt: ,,Diese Steuerung kann man bis auf einen Zentimeter genau machen. Es kann exakt justiert werden, wieviel Diesel, Wasser, Saat oder Dünger verwendet wird." Durch die Genauigkeit benötigt der Landwirt am Ende des Tages weniger Ressourcen, kann die Saat, den Dünger und chemischen Pflanzenschutz sparender und besser verteilen. ,,Dadurch kann der Landwirt bis zu zehn Prozent Dünger einsparen."
Nachhaltig - und regional?
Das Vorantreiben der Digitalisierung kann dabei helfen, die Arbeit der Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Immerhin kann durch intelligente Verteilung Ressourcen, Wasser und Dünger eingespart werden. Wie sieht es mit der Regionalität aus? Kann die moderne Technik dabei helfen, dass landwirtschaftliche Produkte vermehrt regional gehandelt werden? Die Antwort ist simpel: ,,Viele Landwirte haben bereits Social Media und Onlineshops für sich entdeckt", erklärt Martin Flohrschütz. Die Möglichkeiten seien vielseitig: vom Verkauf gebrauchter Maschinen, Kauf von Betriebsmitteln (Dünger, Saatgut, Diesel, Ersatzteile) über Werbung für seinen Hofladen bis hin zum Onlineshop für seine regionalen Endprodukte.
Lukas Pitule